Neoliberale Märchenstunde: Christian Lindner und der Trickle-Down-Effekt

Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht. Klingt wie eine Eröffnungsrede am All-You-Can-Eat-Buffet, könnte aber auch der Leitgedanke neoliberaler Ökonom*innen sein. Ihre Wirtschaftstheorie: Der Trickle-Down-Effekt.

Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht. Klingt wie eine Eröffnungsrede am All-You-Can-Eat-Buffet, könnte aber auch der Leitgedanke neoliberaler Ökonom*innen sein. Ihre Wirtschaftstheorie: Der Trickle-Down-Effekt.

Kein Scherz: Es gibt Politiker*innen, die allen ernstes argumentieren, dass, wenn man dafür sorgt, dass es den Reichen besser geht, es früher oder später auch den Armen besser gehen wird. Ihre Theorie: Erlässt man beispielsweise den Firmenbossen ihre Steuern, werden die in neue Produktionsanlagen investieren und damit neue Jobs schaffen. Klingt nach Wirtschaftsplanspiel der sechsten Klasse? Der Chef-Wirtschaftsberater der britischen Premierministerin Liz Truss formuliert es so:

„Schulen und Straßen sind wichtig, ja. Aber wenn niemand Risiken einzugehen wagt, bringt auch eine hochwertige Infrastruktur mit Blick auf das Wachstum nicht viel. Die Unternehmen sind das Herz des Systems, wir müssen ihnen so viele Hürden wie möglich aus dem Weg räumen.

Und darauf angesprochen, dass die Steuer-Pläne der Regierung Truss nur Haushalte mit einem Jahresverdienst von über 155.000 Pfund entlasten werden, entgegnete er: „Das ist linke Umverteilungsrethorik. Leute, die investieren, sind häufig reich. Was wollen Sie tun? Ihnen das Geld wieder wegnehmen? Wäre das denn schlecht?

Bei FDP-Finanzminister Christian Lindner klingt das ähnlich. Wenn auch etwas abgeschwächt. Vor gut einem Jahr, im August 2021, schrieb er auf Twitter: „Der Staat gibt fast ein Drittel der Wirtschaftsleistung für Soziales aus, Tendenz steigend. Das muss uns alarmieren.“ Seine These: „Staatskonsum schafft keine neuen Jobs. Wir brauchen eine Trendumkehr bei Staatsfinanzen und Sozialbeiträgen.“ Übersetzt: Obwohl die Vermögen in keinem EU-Land ungleicher verteilt sind als in Deutschland, will der FDP-Chef Reiche noch reicher machen! Kein Wunder, dass ihm die jüngst beschlossene Übergewinnsteuer so lange nicht geschmeckt hat…

Was passiert, wenn man den Reichen das Geld wegnimmt

Das Problem: Schon seit den 1950er Jahren, also der Zeit, in der die Queen Königin von England wurde, sind Wirtschaftswissenschaftler*innen mehrheitlich der Meinung, dass Trickle-Down-Ökonomie nicht funktioniert. US-Präsident Joe Biden kommentierte sogar – ebenfalls auf Twitter: „Trickle Down has never worked!“

Und das gilt gerade jetzt, zwischen Corona-Krise, Krieg in der Ukraine und Horror-Inflation! Denn unabhängige Studien zeigen, dass die Produktivität der Industrie in Deutschland stetig steigt und ihr Pandemie-Tief schon im Herbst 2021 vollständig überwunden hatte. Das Problem sind also nicht fehlende Anreize für Unternehmen, sondern nachlassende Nachfrage, fallende Kaufkraft. Kein Wunder: Denn wenn sich die Preise für Lebensmittel, Wohnen und Heizen verdoppeln bleibt den allermeisten Menschen eben kaum mehr etwas Geld für Konsum übrig. Also außer denen, die von Trickle Down profitieren…

Wirtschaftswissenschaftler*innen schlagen darum das komplette Gegenteil von Trickle Down vor: Trickle Up. Die Kaufkraft der Verbraucher*innen soll gestärkt und damit die Wirtschaft angeregt werden. Gegen den erklärten Willen von Finanzminister Lindner vertritt die Bundesregierung auch genau das in ihrer Politik: Das Bürgergeld, von der FDP-abgelehnt, die Mindestlohn-Erhöhung, von der FDP-verhasst und Preisbremsen für Strom und Gas, finanziert von der lange durch die FDP blockierte Übergewinnsteuer, stärken Verbraucher*innen und damit auch die Wirtschaft. Das Problem: Lindner lässt sich als Finanzminister nicht in allen Punkten überstimmen. So blockiert er die Verlängerung vom 9-Euro-Ticket und verhindert mit seinem Festhalten an der Schuldenbremse wichtige öffentliche Investitionen, zum Beispiel in Bildung aber auch in Infrastruktur.

Übrigens: Auch in Amerika funktioniert die Trickle-Up-Ökonomie, die Präsident Joe Biden propagiert. So hat er in den ersten eineinhalb Jahren seiner Amtszeit Millionen neue Jobs geschaffen und die Wirtschaftskraft erhöht. Während unter Trickle-Down-Truss in Großbritannien die Aktienkurse fallen und Fachkräfte aus dem Land flüchten…

Wirtschaftskompetenz richtig verstehen

Finanzminister Christian Lindner steht mit seiner Ideologie zwar nicht alleine da – Aber er steht an der Seite zahlreicher Verlierer*innen. Politisch und wirtschaftlich. Wieso er nicht einlenkt? Spätestens seit dem Porsche-Gate, das die unfassbar krassen Lobby-Beziehungen des FDP-Chefs aufgezeigt hat, haben wir da eine Idee. ABER IST UNS DIE PRIVATE ALTERSVORSORGE VON CHRISTIAN LINDNER WIRKLICH DIE FORTSCHREIBUNG EINES NEOLIBERALEN WIRTSCHAFTSMÄRCHENS WERT?!

Fakt ist jedenfalls: Echte Sozialpolitik, krasse Entlastungen helfen nicht nur Millionen Bürger*innen und sichern die gesellschaftliche Teilhabe der Vielen, sie sind auch die verantwortlichste Wirtschaftspolitik. Darum: SCHLUSS JETZT MIT DEM FINANZMINISTER-FIASKO, HERR LINDNER! Und her mit einem umfassenden Umdenken.


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team