Junge Leute sollen “einmal etwas für andere tun” – Während die Spitzen-Politik noch nicht einmal ihre Hausaufgaben macht

Politische Kommunikation folgt in Deutschland strengen Regeln: Das Sommerloch beginnt zum Beispiel mit einer Diskussion über einen Zivildienst-Nachfolger für junge Leute. In diesem Jahr schlug Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier so ein “Pflichtjahr” vor. Neu ist, dass die Debatte auch im Herbst noch einmal aufflammt.

Politische Kommunikation folgt in Deutschland strengen Regeln: Das Sommerloch beginnt zum Beispiel mit einer Diskussion über einen Zivildienst-Nachfolger für junge Leute. In diesem Jahr schlug Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier so ein “Pflichtjahr” vor. Neu ist, dass die Debatte auch im Herbst noch einmal aufflammt.

Sonntagabend lies sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Schloss Bellevue von einem Kamerateam interviewen. Das sah sehr präsidial aus. Bis der Bundespräsident damit konfrontiert wurde, dass seine letzte innenpolitische Initiative doch ins Nichts geführt habe: Er stehe nicht nur zur Debatte um ein “gesellschaftliches Pflichtjahr” machte Steinmeier dann klar, er wolle, dass die Debatte weitergeführt werde und werde nicht zulassen, dass sie “wieder ins Nichts” führt. Klare Ansage. Nur besser macht es die Idee halt nicht.

Und darum geht es: Neben der CDU, die das Pflichtjahr allerdings noch “Dienstpflicht” nennt, fordert auch der Bundespräsident, dass jede*r deutsche*r Staatsbürger*in ein Jahr lang in einem gemeinnützigen Bereich arbeiten soll. Quasi Zivildienst für alle: Schlecht bezahlt, wenig wertgeschätzt.

Warum die Debatte ihr Thema verfehlt

Das ist aus zwei Gründen unverschämt: Zum einen, weil die Dienstpflicht-Pflichtjahr-Befürworter*innen so – durch die Hintertür – etwas gegen den Personalmangel in den sozialen Berufen tun wollen statt DIE PROBLEME WIRKLICH AN DER WURZEL ZU PACKEN.

Beispiel Pflege: Studien zeigen, dass eine breite Mehrheit der ausgebildeten Pflegekräfte, die sich einen anderen Job gesucht haben, in die Pflege zurückkehren würde, wenn die Politik die Arbeitsbedingungen verbessern würde. GEREGELTERE ARBEITSZEITEN, BESSERE PERSONALAUSSTATTUNG, MEHR GELD. Keine Pflegekraft wünscht sich Zwangsarbeit. Dienstpflicht? Hilft nicht!

Der zweite Grund: Steinmeier behauptet, ein Pflichtjahr könne den sozialen Zusammenhalt stärken. Junge Menschen würden so gezwungen, “einmal etwas für andere” zu tun. EINE UNVERSCHÄMTHEIT! Sei es Fridays For Future, Seebrücke-Initiativen oder in Gewerkschaftsjugenden: Junge Menschen engagieren sich bereits zivilgesellschaftlich. Und die, die das noch nicht machen, haben oft gute Gründe: Das es anstrengend ist, während mittlerweile drei Corona-Jahren seine Ausbildung abzuschließen, zum Beispiel…

Steinmeier sagt, sein Debattenaufschlag dürfe “nicht ins Nichts” führen – REVOLTE macht Vorschläge

Statt also weiter über ein Pflichtjahr zu diskutieren, sollte die Politik viel lieber ihre HAUSAUFGABEN MACHEN. Und die Beteiligungschancen junger Menschen stärken. Und hier wird es RICHTIG DREIST: Denn fast immer sind die größten Anhänger*innen eines Zwangsjahres GLEICHZEITIG auch die größten Gegner*innen des Wahlrechts ab 16. Ausgebeutet malochen? Klar! Dafür mitbestimmen? Lieber nicht.

Auch den sozialen Zusammenhalt kann Jugend-Zwangsarbeit nicht steigern. Was das könnte: Eine Kindergrundsicherung, die mehr Chancengerechtigkeit schaffen würde. Echte gesellschaftliche Teilhabe ist bislang nämlich vor allem vom Geldbeutel der Eltern abhängig. WER DIE KINDERGRUNDSICHERUNG BLOCKIERT? Die Dienstpflicht-Fans von der CDU!

Doch damit nicht genug. Seit Jahren geht in Deutschland das Ausbildungsplatz-Angebot zurück. Und nach der Ausbildung ist jeder zweite Arbeitsvertrag ohne Grund befristet. Dabei ist es unfair, von jungen Menschen zivilgesellschaftliches Engagement zu verlangen, während der Staat es ihnen noch nicht einmal ermöglichen kann, ihre Zukunft abzusichern. Statt eines Pflichtjahres braucht es darum eine Ausbildungsplatzgarantie, Azubi-Tickets und -Wohnheime sowie die Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen.

Außerdem stehen junge Leute nicht erst seit Corona massiv unter Zeitdruck. In vielen Bundesländern ist mit G8 die Schulzeit verkürzt worden, um Schüler*innen schneller auf den Arbeitsmarkt werfen zu können. Außerdem ist das Bafög an kurze Regelstudienzeiten gebunden. Wenn man die Ausbildungszeiten für junge Menschen wieder verlängert, braucht es keine Wehrpflicht-Nachfolge, denn auch das zeigen Studien: JUNGE MENSCHEN WOLLEN SICH SOZIAL ENGAGIEREN – HABEN ABER OFT EINFACH NICHT DIE ZEIT DAFÜR!

Zeit, dass die Politik daran etwas ändert und die echten Probleme angeht.


Geschrieben von: Technik Team

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