Quorum verfehlt: Doch nicht 2030 klimaneutral. Warum das Quorum ein Problem ist

Werbetafel der Volksentscheid-Initiator*innen, darauf der Text: Quorum verfehlt

51% der Berliner Wähler*innen wollen Berlin bis 2030 klimaneutral. Doch trotz Mehrheit haben sie den Volksentscheid verloren. Wieso und warum das ein großes Problem ist, erklärt REVOLTE.

In Berlin gab es gestern einen Volksentscheid. Die Bürger*innen waren aufgerufen, darüber abzustimmen, ob das Land bis 2030 klimaneutral werden soll und wie.

Die Initiative, dieden Volksentscheid gestartet hatte, forderte unter anderem die Klimaschutzziele Berlins verbindlicher zu gestalten und das Zieldatum für die Klimaneutralität von 2045 auf 2030 vorzuziehen. Aber auch soziale Ausgleichsleistungen unter anderem für Mieter*innen waren vorgesehen.

51% der Wähler*innen stimmten gestern FÜR den Volksentscheid und trotzdem ist er ABGELEHNT!

Trotz Stimmenmehrheit gescheitert: Eine Tücke im Wahlsystem

Warum? Weil insgesamt nur knapp 36% der Berliner*innen wählen gingen und somit 51% der Ja-Stimmen insgesamt nur knapp 442.000 Stimmen entsprachen. Zur Annahme des Volksentscheids galt jedoch ein Quorum, also eine Mindestzahl von etwas über 600.000 Stimmen, so sieht es die Berliner Landesverfassungs vor.

In der politischen Auseinandersetzung um den Volksentscheid hatten dessen Gegner*innen darum früh bewusst auf Demobilisierung gesetzt. Damit jetzt offensichtlich Erfolg.

Und das ist schwierig. Denn während in Berlin eine Wahlbeteiligung von 36% in einer Sachfrage nicht dafür ausreicht, dass der Wähler*innenwille auch tatsächlich umgesetzt wird, wurden in Frankfurt und Kassel neue Oberbürgermeister mit NIEDRIGERER WAHLBETEILIGUNG gewählt. Frankfurt: 35%. Kassel: 33%. 

Besonders brisant: Der neue Kasseler Oberbürgermeister, Sven Schoeller (Grüne), erhielt wie der Berliner Volksentscheid auch nur 51% Zustimmung – OBWOHL ER OHNE GEGENKANDIDATEN ANGETRETEN WAR.

Sicher: Man kann politisch und wahlrechtlich begründen, dass bei einem Volksentscheid andere Voraussetzungen gelten als bei einer regelmäßigen Personen- oder Parlamentswahlen.

Volksentscheide sind zum einen nicht so bekannt und zum anderen sind Personen- und Parlamentswahlen niedrigschwelliger, eben weil sie immer wieder stattfinden und Themen sowie Protagonist*innen damit verständlicher sind als bei einmaligen Volksentscheiden.

Wahl gewonnen, aber vor allem: Vertrauen verspielt

Und trotzdem ist es problematisch, wenn ein Volksentscheid scheitert, obwohl ihm eine Mehrheit zugestimmt hat.

Denn fallende Wahlbeteiligungen erleben wir aktuell bei fast allen Wahlen. Bei Oberbürgermeister*innenwahlen, wichtige kommunale Richtungsentscheidungen, sind Wahlbeteiligungen wie in Frankfurt oder Kassel leider oft schon die Regel. Und auch bei vielen Landtagswahlen quälen sich die Wahlberechtigten nur noch mit Mühe über die symbolträchtige 50%-Hürde.

Das zeigt: Diese Demokratie verliert Vertrauen. Und anstatt dem mit einer ehrlichen und differenzierten Auseinandersetzung mit einem Volksentscheid entgegen zu wirken, versuchten manche Gegner*innen bewusst Desinteresse zu streuen.

Hinzu kommt, dass es für manche Ja-Sager*innen schwer zu akzeptieren seien dürfte, dass sie trotz Mehrheit eine Wahl verloren haben.

Der Berliner Volksentscheid ist politisch darum vor allem eine vertane Chance! Statt die politische Auseinandersetzung zu stärken und Menschen miteinander über ein wichtiges Thema ins Gespräch zu bringen, führt er zu Frustration auf allen Seiten. DAS ist die schlechteste Nachricht zu diesem Thema!

Klimaschutz stärken und zwar sozial-gerecht

Zwei Themen dürfen darum jetzt nicht in den Hintergrund treten – im Gegenteil:

Klimaschutz muss eine stärkere Rolle in der Berliner Politik spielen. Immerhin hat gestern trotz miserabler Wahlbeteiligung eine Mehrheit der Berliner*innen dafür gestimmt, schneller klimaneutral zu werden.

Dabei aber muss soziale Gerechtigkeit stärker in den Fokus der Politik, denn der Volksentscheid verfehlte sein Quorum auch deshalb, weil in ärmeren Stadtgebieten die Zustimmungswerte am geringsten gewesen sind.

Und wir müssen endlich auch den zweiten ERNST DER LAGE erkennen: Eine Demokratie, an der sich immer weniger Menschen beteiligen, hat ein riesiges Problem. Egal wie man zum Volksentscheid inhaltlich steht: Zwei Drittel  Nichtwähler*innen sind ein Anlass zu Sorge, keiner zur Freude!

Wenn aus dem Volksentscheid jetzt wenigstens die richtigen politischen Schlüsse gezogen werden, dann hätte das Ganze doch noch etwas Gutes…


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team