150 SPD-Mitglieder schreiben an Scholz, Faeser und Mützenich: Wollen Grundrecht auf Asyl verteidigen

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Der Widerspruch gegen die geplante europäische Asylreform wächst. In einem offenen Brief wenden sich zahlreiche SPD-Mitglieder an Kanzler Scholz, Innenministerin Faeser und Fraktionschef Mützenich.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wollen das Asylrecht verschärfen. Am 8. und 9. Juni treten die Innenminister*innen der EU-Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union in Luxemburg zusammen, um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu beraten.

HAFT, PUSHBACKS UND ABSCHIEBUNGEN

Diskussionsgrundlage ist ein Vorschlag der EU-Kommission. Und der hat es in sich: Mit dem Gesetzespaket drohen Schutzsuchenden Grenzverfahren unter Haftbedingungen. Eine Verschärfung des Dublin-Systems. Flüchtende sollen in Drittstaaten abgeschoben werden können, die sie noch nie betreten haben, unabhängig davon, welche Bedingungen sie dort erwarten. Pushbacks auf dem Mittelmeer könnten ausgeweitet werden. Letztlich droht damit die Aushebelung des Geflüchtetenschutzes.

Im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Parteien, SPD, Grüne und FDP, eigentlich auf Verbesserungen für flüchtende Menschen verständigt. Doch der GEAS-Reform will die Bundesregierung trotzdem zustimmen. 

FDP fordert Asylrechtsverschärfung

Insbesondere die FDP will die radikalen Verschärfungen. Finanzminister Christian Lindner schrieb zum Beispiel heute auf Twitter: “Wir müssen eine Zeitenwende in der europäischen Migrationspolitik einleiten: mehr Kontrolle, mehr Konsequenz und Fortschritte bei der Unterbindung irregulärer Zuwanderung – auch an den Außengrenzen.” Die Reform sei darum “mehr als überfällig”.

DOCH IN DER SPD ORGANISIERT SICH WIDERSTAND. Über 150 Genoss*innen haben einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, Innenministerin Nancy Faeser und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich unterschrieben.

Darin heißt es: “1949 war es der Sozialdemokrat Carlo Schmid, der im parlamentarischen Rat ein allgemeines Grundrecht auf Asyl durchsetzte. Dieses Recht liegt aus gutem Grund in der DNA dieser Republik und dieser Partei.”

SPD-Mitglieder gegen Ampel-Kurs

Die Genoss*innen analysieren: “Es ist sinnvoll, ein gemeinsames europäisches Asylsystem (GEAS) zu nutzen, um flüchtenden Menschen bestmöglich Schutz bieten zu können. Doch läuft das GEAS Gefahr, missbraucht zu werden, um Menschen, die auf der Flucht vor Gewaltherrschaft, vor Krieg und Verfolgung  alles zurücklassen mussten, ihre grundlegenden Rechte zu versagen.”

Sie fordern: “Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union muss dafür genutzt werden, die Kapazitätsgrenzen der Länder zu beachten, den Geflüchteten ein würdevolles Leben nach der Flucht bieten zu können und ihnen in jedem Land gleiche Rechte zu ermöglichen.”

Mit ihrer Kritik an der geplanten GEAS-Reform stehen die deutschen Sozialdemokrat*innen dabei nicht alleine da. Auch Andreas Babler, frischgewählter SPÖ-Chef, kritisiert das Vorhaben: “Von einer Festung”, sagte er im Interview, “bleiben in der Geschichte nur Trümmer.” Auch die Grünen-Basis und über 700 Jurist*innen schrieben offene Briefe.

Und so lautet der Schlusssatz der SPD-Mitglieder: “Niemand von uns glaubt, dass Verhandlungen mit Orbán oder Meloni einfach sind. Doch wir bitten euch inständig: Keine Kompromisse, wo keine möglich sind.

Erkämpft das Menschenrecht.”

Übrigens: In der ersten Folge unseres REVOLTE-Podcast beschäftigen wir uns u. a. mit genau diesem Thema. Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, und Amy Amoakuh erklären darin im Gespräch mit Maximilian Reimers und Jan Bühlbecker, was es mit dem sogenannten “Flughafenasylverfahren” auf sich hat, das jetzt quasi an die EU-Grenzen ausgedehnt werden soll. Hier anhören.

Offenlegung: Ich habe den offenen Brief unterschrieben.


Geschrieben von: Technik Team

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