Warum man auf VONOVIA nicht wütend sein kann, aber trotzdem wütend sein sollte

Das Wohnungsunternehmen Vonovia hat angekündigt, alle geplanten Neubauprojekte für 2023 auszusetzen. Wie das Unternehmen das begründet und welche Konsequenzen das erfordert: REVOLTE kennt alle Details.

“Die Inflation und die Zinsen sind enorm gestiegen. Hinzu kommen die Baukosten, die im vergangenen Jahr um mehr als 16% gestiegen sind”, schreibt Vonovia auf Twitter. Und weiter: “Neubau braucht stabile Rahmenbedingungen. Genau die haben wir momentan nicht. Auch eine bewährte Förderung für energieeffizientes Bauen wurde gestrichen.”

Die Konsequenz für den Bochumer Immobilienkonzern: Alle geplanten Neubauprojekte für 2023 werden ausgesetzt! Und das obwohl Deutschland gerade eine Neubau-Offensive braucht!

Der Vonovia-Schock löste Fassungslosigkeit aus

Der stellvertretende IG BAU-Vorsitzende Harald Schaum kritisiert: “Genau in der Zeit, in der Kriegsflüchtlinge kommen und die Schlangen bei Wohnungs­besichtigungen immer länger werden, zeigt Vonovia die kalte Kommerz­schulter.

Und Cansel Kitziltepe, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium und SPD-Bundestagsabgeordnete, findet: “Vonovia sollte Dividenden­zahlungen einstellen und das Geld zur Absicherung des Neubaus verwenden!”

Auch der Vonovia-Aktienkurs brach nach der Ankündigung ein. Vom erträumten Aufstieg in den prestigeträchtigen Deutschen Aktienindex entfernte sich das Unternehmen damit weiter.

Alternativen zum Vonovia-Kurs

Dass es derweil auch anders geht, zeigt Vonovia-Konkurrent Vivavest. Deren größte Aktionärin ist die Industriegewerkschaft IGBCE. Entsprechend groß bleibt das Neubauinteresse des Vivavest-Konzerns: “Vivawest hält trotz schwieriger Rahmen­bedingungen an ihrem nachhaltigen Geschäftsmodell fest und wird grundsätzlich weiter in energetische Modernisierungen und den Neubau von Wohnungen investieren.”

Und weiter: “Wir werden das in einer Größenordnung weitermachen, mit der wir einen Beitrag sowohl zum Klimaschutz als auch zu dringend benötigtem Wohnraum leisten können.”

Gewerkschaften und Zivilgesellschaften fordern Konsequenzen für Vonovia

Die IG BAU fordert Konsequenzen für Vonovia. Konkret bringt die Gewerkschaft eine Staatsbeteiligung ins Spiel. 25% plus eine Aktie soll der Staat erwerben und sich so eine Sperrminorität sichern, womit er Neubau-Moratorien in Zukunft verhindern könnte.

“Der Staat würde damit Einfluss auf die langfristige Strategie bei Vonovia bekommen”, hofft Gewerkschafts-Vize Schaum, der außerdem ein Signal setzen will: “Der Staat würde damit deutlich machen, dass er sich – nach vielen Privatisierungen – auf dem Wohnungs­markt wieder einmischt.”

Auch Verstaatlichung wird diskutiert

Dem Berliner Bündnis “Deutsche Wohnen und Co. enteignen” geht dieser Vorschlag nicht weit genug. Sie fordern weiterhin die Umsetzung des Volksentscheids, bei dem im letzten Jahr knapp 60% der Berliner Wähler*innen für die Überführung von Deutsche Wohnen und Vonovia in eine gemeinnützige und öffentlich-rechtliche Wohngenossenschaft gefordert hatten.

Unterstützung bekommen sie vom Berliner Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und von Fridays for Future.

Auch eine verfassungsrechtliche Expert*innenkommission hatte dabei zuletzt bestätigt, dass eine Enteignung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.

Wie weiter, Wohnungsmarkt?

Die Vonovia-Ankündigung hat aufgewühlt. Zurecht. Denn eigentlich wollte Deutschland jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen bauen – und viele davon sollte Vonovia liefern.

Jetzt zeigt der Konzern selbst seine eigenen Grenzen auf. Und klar ist: Bei gesellschaftlichen Aufgaben kann der Markt nicht liefern. Zumindest nicht verlässlich. Für Vonovia braucht es darum Konsequenzen!

Der Berliner Volksentscheid schlägt vor, gemeinnützige, öffentlich-rechtlich-organisierte Wohngenossenschaften zu gründen. Bundesbauministerium und IG Bau schlagen eine Staatsbeteiligung vor. Und beide haben Recht.

Kombiniert man beide Ideen, stellt man sicher, dass durch Staatsbeteiligung gesamtgesellschaftlich geregelt wird, dass die politische Richtung der Wohnungsbaukonzerne stimmt, zum Beispiel in puncto Neubau-Offensive und klimafreundlichem Bauen. Und öffentlich-rechtliche Wohnungsgenossenschaften sichern eine Verankerung vor Ort und ein vielfältiges und solidarisch zusammengesetztes Mieter*innen-Portfolio.

Also: Die richtigen Reform-Ideen für Vonovia liegen auf dem Tisch. Wird Zeit, dass die Politik sie mutig umsetzt!


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team