Arbeitgeber arrogant: Nicht einmal jeder 4. Ausbildungsplatz richtet sich auch an Hauptschüler*innen

Die deutsche Wirtschaft ächzt wegen Fachkräftemangel. Doch kann es wirklich so schlimm sein, wenn nur noch jede fünfte Firma ausbildet und weniger als jeder 4. Ausbildungsangebot sich auch an Hauptschüler*innen richtet? Eine Kolumne von Jan Bühlbecker.

ARBEITGEBER ARROGANT! Einerseits klagt die deutsche Wirtschaft IMMER LAUTER über den aufziehenden Fachkräftemangel. Andererseits WEIGERT SIE SICH IRGENDETWAS DAGEGEN ZU TUN.

In der letzten Woche berichtete ich für REVOLTE darüber, dass erstmals über 2,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 35 Jahren keinen Berufsabschluss haben. Nur noch jede fünfte Firma bildet aus. Hinzu kommt: 200.000 junge Menschen sind aktuell in Übergangsprogrammen eingesetzt, 40% der Ausbildungsplätze bleiben jährlich unbesetzt.

Bildungsklassismus: Hauptschüler*innen bekommen keine Chance

Diese Woche offenbart der Ausbildungsreport der Job-Plattform Indeed eine weitere Horrornachricht: Noch nicht einmal jede vierte Stellenanzeige für einen Ausbildungsplatz richtet sich an Hauptschüler*innen. Sie sind trotz bestandenem Schulabschluss UNERWÜNSCHT in deutschen Unternehmen.

Zur Einordnung: Rund 325.000 Hauptschüler*innen gibt es in Deutschland. Zehntausende von ihnen machen jedes Jahr ihren Abschluss und wechseln dann auf den Arbeitsmarkt. Und sind als Beschäftigte durchaus attraktiv: Hauptschüler*innen identifizieren sich stärker mit ihrem Unternehmen, schließen ihre Ausbildung häufiger erfolgreich ab und bleiben anschließend länger bei ihrer Firma als Kolleg*innen von anderen, “angeseheneren” Schulformen.

Die Chef*innen wissen das aber offensichtlich nicht wertzuschätzen, lassen sich von Zeugnissen und einer vermeintlichen Bestenauslese blenden. ARBEITGEBER ARROGANT eben. Aber vor allem: Wirtschaftlich hochgradig unvernünftig. Immerhin fehlen schon jetzt an allen Ecken und Enden Fachkräfte, fast zwei Millionen Stellen sind unbesetzt und fast 13 Millionen Menschen werden in den nächsten 13 Jahren in Rente gehen. Da braucht es Nachwuchs.

Die Anti-Haltung der Arbeitgebenden ist aber auch Gift für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland: Denn es zerreißt eine Gesellschaft, wenn einerseits über den Fachkräftemangel geklagt wird, aber andererseits junge Menschen trotz Qualifikation keinen Ausbildungsplatz finden.

Hubertus Heil muss Chef*innen zu ihrem Glück zwingen!

Ich finde: Man muss die Firmen jetzt zu ihrem Glück zwingen! Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat vor ein paar Wochen einen Entwurf für eine Ausbildungsplatzgarantie vorgelegt. Das war richtig gut! Denn jeder junge Mensch bekäme damit einen Rechtsanspruch auf einen Ausbildungsplatz, wo immer es geht, im Betrieb und sonst an der Berufsschule. Das muss jetzt schnell umgesetzt werden, denn Zeit, das zeigen alle Zahlen, haben wir keine mehr zu verlieren.

Aber eigentlich sollte die Ausbildungsplatzgarantie noch vor ihrem Inkrafttreten direkt weiterentwickelt werden. Und zwar so: Unternehmen, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten, sollten eine Umlage bezahlen, mit der die betriebliche Ausbildung in den Unternehmen, die ausbilden, gefördert wird. Immerhin leisten ausbildende Betriebe viel. Für die Wirtschaft. Und für die Gesellschaft.

Das Problem: Die Wirtschaftslobby wehrt sich dagegen. Und mit ihr die FDP in der Bundesregierung… Obwohl das unternehmerisch unvernünftig und gesellschaftlich schädlich ist.
Ich sage: Auf gehts, Hubi, zwing’ die Firmen zu ihrem Glück! Junge Menschen verdienen eine Chance! Und zwar unabhängig von ihrem Schulabschluss.


Geschrieben von: Technik Team

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