SACHGRUNDLOS FÜR KOMPETENT GEHALTEN: DIE FDP UND SACHGRUNDLOSE BEFRISTUNGEN

fünf junge Arbeitnehmer*innen, dazu Text: Sachgrundlos? Stop!

Sachgrundlose Befristungen sind ein Zukunftshemmnis und unfair gegenüber Beschäftigten. Trotzdem bleiben sie – weil die FDP sie verteidigt. Warum das an den Liberalen zweifeln lassen muss: Ein Kommentar von Jan Bühlbecker.

Es ist DIE ARBEITGEBER-UNVERSCHÄMTHEIT schlechthin: sachgrundlose Befristungen. Firmen geben Beschäftigten nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Obwohl sie den gesamten Bewerbungsprozess gemeistert haben. Obwohl sie die gesetzlichen Regelungen zur Probezeit voll ausreizen. Und obwohl Fachkräfte rar sind.

Sachgrundlose Befristungen sind dabei IMMER UNBEGRÜNDET ABER RICHTIG FIES: Beschäftigte sollen mit ihnen EINGESCHÜCHTERT werden. Logisch: wenn der eigene Arbeitsvertrag nach 12, 18 oder 24 Monaten ausläuft, steht man immer unter Druck. Unter Beobachtung: „Mache ich meinen Job tatsächlich gut genug?“, „Schreibe ich mir die Überstunden wirklich auf?“, „Soll ich an der Betriebsratswahl teilnehmen?“

Die Antworten auf alle Fragen: JA! JA! Und: JA! Aber mit dem Damoklesschwert des endenden Arbeitsvertrages verzichtet man lieber auf die eigenen Rechte als sie – im Zweifel gegen eine*n Vorgesetzte*n – durchzusetzen. Das ist verständlich, aber nicht nur für jede*n einzelne*n Arbeitnehmer*in problematisch, sondern auch gesellschaftlich. Denn insbesondere junge Kolleg*innen bekommen beim Berufseinstieg mehrheitlich sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse. 60% aller Arbeitnehmer*innen unter 35 haben “nur” einen befristeten Arbeitsvertrag. Familienplanung, ehrenamtliches Engagement – vieles von dem, was auch wichtig ist, stellt man da hinten an.

JEDER ZWEITE JOB GRUNDLOS BEFRISTET

Klingt übertrieben? Hier kommen Fakten: Zwischen 2001 und 2018 hat sich die Zahl der sachgrundlosen Befristungen mehr als verdreifacht – von rund 550.000 auf 1,8 Millionen. 5% aller Arbeitsverhältnisse sind demnach GRUNDLOS befristet. Corona war dabei ein AUSBEUTUNGS-BOOSTER: Im zweiten Quartal 2020 wurden in Berlin ÜBER 50% aller neuen Arbeitsverhältnisse sachgrundlos befristet.

Das ist auch volkswirtschaftlicher Nonsens. Denn sachgrundlose Befristungen führen zu erhöhter Personalfluktation, Unternehmen geht damit exklusives Wissen verloren, der Fachkräfemangel spitzt sich zu. Zumal auch die Produktivität von Unternehmen unter Befristungen leidet. Und: Die Gesundheit der Arbeitnehmer*innen leidet, weil sachgrundlose Befristungen zusätzlichen und vermeidbaren STRESS bedeuten. Hinzu kommt: Die Wirkmächtigkeit von Betriebsräten sinkt, weil Kolleg*innen von Befristungen eingeschüchtert sind – und das obwohl Mitbestimmung das Recht von Arbeitnehmer*innen und gut für die wirtschaftliche Stärke von Unternehmen ist. Zeigen Studien.

BESTEHENDE BEFRISTUNGSMÖGLICHKEITEN AUSREICHEND

Warum gibt es sachgrundlose Befristungen dann überhaupt? Gute Frage. Denn einen echten Grund gibt es – wie der Name schon sagt – nicht. Im Gegenteil: Bei neuen Arbeitsverhältnissen gibts ja bereits die gesetzliche Möglichkeit zu einer Probezeit, die bis zu einem halben Jahr dauern darf und während der verkürzte Kündigungsfristen gelten. Wer sachgrundlose Befristungen als verlängerte Probezeit nutzt, handelt damit also maximal unmoralisch. Und gesetzeswidrig. Und überhaupt: Ein halbes Jahr, um neue Mitarbeiter*innen „on the job“ kennenzulernen – WAS FÜR EIN ARMUTSZEUGNIS IST ES BITTE FÜR PERSONALER*INNEN, WENN IHNEN DAS NICHT AUSREICHT?

Und auch für weitere Befristungsgründe gibt es gesetzliche Rahmen: Eine Stelle wird projektbezogen ausgeschrieben? Befristung problemlos möglich. Eine Elternzeitvertretung wird gesucht? Befristung kein Problem. Ein*e Kolleg*in ist länger krank? Auch das ist ein Befristungsgrund – mit maximaler Flexibilität für Arbeitgebende: Denn kommt die erkrankte Person zurück, endet der befristete Vertretungsvertrag SOFORT. Sachgrundlose Befristungen haben ihren Namen nicht ohne Grund: Sie sind wirklich grundlos. EINFACH UNVERSCHÄMT!

FDP-NARRATIV ZERFÄLLT ZU LOBBYMÄRCHEN

Darum muss damit endlich Schluss sein. DAS wird schon seit Jahren gefordert. Zweimal schaffte es das Ende der sachgrundlosen Befristungen sogar schon in Bundes-Koalitionsverträge: 2013 und 2017 einigten sich die jeweiligen Großen Koalitionen darauf, bevor es sich CDU und CSU dann doch anders überlegten… Und auch in der aktuellen Ampel-Regierung haben die sachgrundlosen Befristungen einflussreiche Fans: Die FDP verhindert ihr Verbot mit allen Mitteln.

Nur bei Behörden lässt sie sich auf ein Verbot ein, am freien Markt sollen sie hingegen weiter möglich bleiben – obwohl nur ein marginaler Teil der sachgrundlosen Befristungen auf den öffentlichen Sektor fällt. Aber warum? Wäre ich Unternehmer, mir wären sachgrundlos befristete Arbeitsverträge in meinem Unternehmen PEINLICH. Sie beweisen schließlich, dass man keine Personalplanung kann. Und wäre ich FDP-Politiker, der auf jedes Wahlplakat irgendeinen Spruch mit „Zukunft“ drucken würde, würde ich mich für ihren Erhalt RICHTIG SCHÄMEN. Immerhin hemmen sie junge Menschen, junge Familien und sind darum FORTSCHRITTSFEINDLICH.

Was ist also dran am FDP-Narrativ der fortschrittsliebenden Wirtschaftspartei? Steckt da wirklich mehr dahinter als magenta-angemalter Lobbypopulismus?

SPD und Grüne sind für ein Verbot von sachgrundlosen Befristungen. Der Ball liegt damit im Feld der FDP: Sie kann hier – im Interesse zwei Millionen junger Menschen, einer starken Volkswirtschaft und des Managements des demographischen Wandels – zeigen, dass sie tatsächlich Wirtschafts- und Zukunftsethos vereint.

Ich finde, wir können erwarten, dass sie sich jetzt bewegt!


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team