Trotz Tarifautonomie: Wie die Politik die Tarifverhandlungen unterstützen kann

Bild vom Mega-Streik gestern, dazu Text: Beschäftigte stärken, wie die Politik die Tarifverhandlungen unterstützen kann

Gestern streikten hunderttausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst und im Verkehrssektor deutschlandweit. Der Grund: Die Arbeitgebenden verweigern seit Wochen ein faires Angebot. Doch auch die Politik ist in der Pflicht, um öffentlichen Dienst und Bahn zu stärken.

Bei der EVG läuft die 2. Verhandlungsrunde für die Bahn-Beschäftigten. Hier geht es um die Mitarbeiter*innen von 50 Unternehmen im Bereich von Bus und Bahn. Ver.di steht sogar bereits in Runde 3 der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Verhandelt wird über die Arbeitsbedingungen von 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen.

Corona-Held*innen wollen bloß keinen Reallohnverlust: Darum wird gestreikt

Die bisherigen Arbeitgebenden-Angebote: Enttäuschend! Ver.di fordert 10,5% mehr Geld, mindestens aber 500€ mehr im Monat und das bei einer Laufzeit von einem Jahr. Das Angebot der Arbeitgeber: 5%, kein Mindestbetrag und 27 Monate Laufzeit. Als Trostpflaster schlagen die Arbeitgebenden dafür eine steuerfreie Einmalzahlung von 2.500€ vor.

Auch bei der EVG sieht es nicht besser aus. Die Gewerkschaftsforderung von 12%, mindestens aber 650€, wurde von den Bahn-Konzernen nämlich ebenfalls harsch zurückgewiesen. Und das obwohl die Deutsche Bahn ihren Beschäftigten bislang NICHT EINMAL DEN MINDESTLOHN ZAHLT, wenn man Zuschläge herausrechnet.

Im öffentlichen Dienst und bei der Bahn arbeiten DIE Corona-Held*innen, die das Land in den letzten drei Jahren am laufen und in Bewegung gehalten haben! Dass sie jetzt mit Reallohnverzichten am Verhandlungstisch abgespeist werden sollen, ist eine UNVERSCHÄMTHEIT.

Dabei ist es nicht nur die Arbeitgebenden-Seite, welche die Kolleg*innen derzeit im Stich lässt. Auch von der Politik kommt (zu) wenig. Klar, in die Tarifverhandlungen können sich Politiker*innen nicht einmischen, die Tarifautonomie ist ein hohes Gut und durch das Grundgesetz garantiert, aber die Rahmenbedingungen könnten sie verbessern.

Politik muss Wissing-Versagen beenden und die Verkehrswende ermöglichen

Bei der Bahn beispielsweise geht man davon aus, dass bis zum Jahr 2030 100.000 Beschäftigte fehlen werden. Hinzu kommen 6% der Kolleg*innen, die das Unternehmen jedes Jahr verlassen und über 7% der Beschäftigten, die durchschnittlich krank sind. Tendenz in beiden Punkten: steigend! Gleichzeitig teilt FDP-Verkehrsminister Volker Wissing mit, dass die Einführung des schnellen Deutschlandtaktes, der Verspätungen eliminieren und Bahnreisen zuverlässig und schnell machen soll, INS JAHR 2070 VERSCHOBEN WIRD.

So wird die Bahn als Arbeitgeberin nicht attraktiv – im Gegenteil: Verspätete Züge, Streckensperrungen und unzuverlässiges WLAN liegen in der Verantwortung des Bundes, der den strategischen Investitionsbedarf bei der Bahn decken muss. Ausbaden müssen das WISSING-VERSAGEN aber die Beschäftigten, über 2.300 Übergriffe zählte die EVG allein im letzten Jahr.

Es wäre ohne Frage ein Booster für die Tarifverhandlungen, würde die Ampel ENDLICH ein Sondervermögen für die Verkehrswende beschließen: 89 Milliarden Euro würde es nämlich allein schon kosten, die bestehenden Gleise, Brücken, Weichen und Stellwerke zu sanieren – heißt es in einem internen Bahn-Papier. Hinzu kommen die Kosten für Überholgleise, um Knotenpunkte zu entlasten, und die Anbindung neuer Strecken, um deutschlandweit attraktiver zu werden.

Aus dem laufenden Geschäftsbetrieb kann die Bahn das nicht finanzieren, DER BUND MUSS IN UNSERE ZUKUNFT INVESTIEREN! Positiver Nebeneffekt für die Tarifverhandlungen: Das Personalbudget der Bahn würde erhöht, weil der Bund bei Infrastrukturkosten endlich seine Verantwortung übernehmen würde.

Versprechen einlösen: Bund muss Städte von Altschulden befreien

Und auch in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst könnte der Bund für einen Befreiungsschlag sorgen, wenn er endlich ein altes Versprechen einlöst: Die Befreiung der Kommunen von ihren Altschulden! Als er noch Bundesfinanzminister war, hatte Olaf Scholz (SPD) das gefordert, als Bundeskanzler scheitert er daran bislang am Widerstand seines Amtsnachfolgers Christian Lindner (natürlich FDP).

Dabei ist eine Altschulden-Regelung überfällig. Denn in vielen Regionen Deutschlands haben Städte in den letzten Jahrzehnten massive Strukturwandel gemeistert, aber weitere vor sich. Im Ruhrgebiet zum Beispiel das Ende des Steinkohlebergbaus. Das hat die kommunalen Haushalte massiv belastet und schränkt sie jetzt bei Investitionen ein.

Das ist doppelt bitter: Nicht nur weil – gerade nach den Corona-Einbrüchen – somit bei wichtigen kommunalen Vorhaben wie Schulsanierungen, Stadtbüchereien und der Förderung von Sportvereinen gespart werden muss, sondern weil die städtische Gestaltungsspielräume in den Tarifverhandlungen nun auch noch gegen die berechtigte Forderung der kommunalen Beschäftigten ausgespielt werden.

Die Befreiung der Städte von den Altschulden und langfristige Finanzierungszusagen, beispielsweise durch eine höhere Übernahme der sogenannten Kosten für die Unterkunft oder Zuschüsse für den ÖPNV, könnten Kommunen beides stemmen: Faire Löhne und solidarische Politik!

Fortschritts-Feinde der FDP müssen Blockade beenden

Doch bislang scheitern sowohl Bahn- als auch Kommunen-Finanzierung an den zuständigen FDP-Ministern. Volker Wissing und Christian Lindner – FEINDE DES FORTSCHRITTS!

Und – obwohl privat Porsche-Fans – politische Bremsklötze…

DAS IST BITTER! Aber kein Grund für die Beschäftigten einzulenken. Denn ihre Forderung, mindestens den Mindestlohn zu verdienen und einen fairen sowie nachhaltigen Inflationsausgleich zu bekommen, ist mehr als berechtigt.

Wenn die Arbeitgebenden das auch nach den laufenden Verhandlungsrunden nicht einsehen wollen: Bitte, gibt es halt die nächste Streikrunde.

Bleibt zu hoffen, dass Arbeitgebende und FDP-Minister einlenken. Denn die Kolleg*innen verdienen JETZT Respekt!


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team