SPAHN WILL RENTENKÜRZUNG – Warum das Gegenteil richtig ist

Bild von Jens Spahn, Text: Spahns Rentenschock!

Jens Spahn hat die Abschaffung der Rente mit 63 gefordert. Wer nach 45 Lohnarbeitsjahren nicht mehr kann, soll stattdessen Erwerbsminderungsrente bekommen, fordert der CDU-Politiker. REVOLTE-Kolumnist Jan Bühlbecker fragt sich: Ist das noch naiv – oder schon Arbeitgebenden-Lobby-Politik?

Jens Spahn will über Rente reden. Genau genommen will der Vize-Chef der CDU-Fraktion im Bundestag darüber reden, was wir uns bei der Rente alles nicht mehr leisten können. Und darüber, wie viel länger wir lohnarbeiten sollten.

Heutige These: “Die ‘Rente mit 63’ kostet Wohlstand, belastet künftige Generationen und setzt die falschen Anreize.” Begründung: “Die Fachkräfte, die früher in Rente gegangen sind, fehlten nun bitterlich.”

Hintergrund: Wer mindestens 45 Jahre versicherungspflichtig beschäftigt war, kann seit 2014 abschlagsfrei in Rente gehen, wenn er mindestens 63 Jahre alt ist. Im Jahr 2021 hat rund jede*r dritte*r Arbeitnehmer*in in Deutschland davon Gebrauch gemacht, aber nur wenige schon mit 63, viele hatten die 45 Beitragsjahre erst mit 64 oder 65, also nur kurz vorm Erreichen der Altersgrenze, erreicht. Es ist also weniger eine Rente mit 63 als eine Rente ab 63.

Fachkräfte fehlen. Soweit hat Spahn recht. Das Problem: Seine Konsequenz daraus ist die völlig falsche.

Rentenkürzungen für High-Performer: SPAHN RESPEKTLOS

Zum einen, weil sie respektlos ist. Die Rente ab 63 betrifft Menschen, die 45 Jahre lang gearbeitet haben. Es geht um Menschen, die direkt nach der Schule eine Ausbildung begonnen haben. Im Handwerk, in der Pflege, in der Industrie. Leute, die über so viele Jahrzehnte hart gearbeitet haben, verdienen Respekt – zum Beispiel durch eine gute Rente. Was sie von Spahn und der CDU kriegen? Eine Rentenkürzung!

Mehr noch: SPAHN FORDERT ALTERSARMUT FÜR ARBEITER*INNEN. Denn auf die Frage nach der Alternative zur Rente ab 63 antwortet der CDU-Politiker: “Sie sollte durch eine bessere Erwerbsminderungsrente ersetzt werden.” Heißt: Wenn die Dachdeckerin mit 65, nach 45 Jahren Jahren auf den Dächern in der Nachbarschaft, nicht mehr kann, soll sie statt verdienter Alters- bloß Erwerbsminderungsrente kriegen. WER WILL DA NOCH EINE AUSBILDUNG MACHEN? Fachkräftemangel? Vorprogrammiert!

Spahn, aufgepasst: SOZIALPOLITIK HILFT GEGEN FACHKRÄFTEMANGEL

Womit wir beim zweiten Punkt sind. Denn zum anderen ist der Spahn-Vorschlag vielleicht plakativ, aber ohne tatsächlichen Arbeitsmarktbezug. Das zeigt das Beispiel von Rocco Funke aus Thüringen. Der hat da seinen Leckortungsbetrieb, klassisches Handwerk, körperlich anstrengend. Über Jahre hatte Funke ein in vielen Wirtschaftszweigen bekanntes Problem: fehlende Fachkräfte. Seine Reaktion: Er stellte den Betrieb auf eine Vier-Tage Woche um. Im Spiegel berichtet er über die Konsequenz stolz: “Jetzt können wir uns aussuchen, wen wir einstellen”.

Das zeigt: Nicht Zwang (späterer Renteneintritt) oder Drohkulissen (Erwerbsminderungs- statt Respekt-Rente) bringen Fachkräfte, gute Arbeitsbedingungen tun es.

DIESE CDU macht Politik gegen Arbeitnehmer*innen

Wenn Spahn und die CDU das Gegenteil fordern, sind sie eine Gefahr für wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland.

Die Rente ab 63 ist ein politischer Erfolg. Wer über 45 Jahre gearbeitet hat, hat sich den Ruhestand verdient. Auch ein Erfolg: Die Grundrente, die das Rentenniveau für Rentner*innen, die mindestens 35 Jahre lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, erhöht hat. War die CDU auch ewig gegen.

Genauso wie gegen attraktive Arbeitsbedingungen: Denn während aus der Spahn-Partei immer wieder Vorschläge für Rentenkürzungen kommen, findet man keine positiven Stimmen beispielsweise zur Vier-Tage-Woche, die unter anderem  SPD-Chefin Saskia Esken unterstützt, zur umlagefinanzierten Ausbildungsplatzgarantie, welche beispielsweise die Gewerkschaften fordern, oder zum Tariftreuegesetz, das Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am 1. Mai angekündigt hat. Und auch gegen junge Fachkräfte hat die CDU etwas: Neben der FDP ist die Union nämlich die einzige Partei, die noch immer sachgrundlose Befristungen verteidigt, obwohl sie 60% aller jungen Arbeitnehmer*innen NACH DER AUSBIDLUNG betreffen.

Organisation matters

Und auch bei der Rente gibt es ja Alternativen zu Spahn-Kürzungen. Von der Aktienrente, die die FDP nach skandinavischem Vorbild nach Deutschland holen will, bis zu stärkeren Steuer-Zuschüssen, wie sie die Gewerkschaften stattdessen wollen, ist viel möglich, um die gesetzliche Rente “Boomer-sicher” zu machen. Rentenkürzungen hinnehmen: DAS MUSS NICHT SEIN! Und wer etwas anderes sagt, ist entweder fantasielos oder hat vielleicht zu gute Kontakte zu privaten Altersversorgern.

Das zeigt zweierlei –

Erstens: Die CDU ist keine Wirtschafts- und erst recht keine Arbeitnehmendenpartei. Sie ist entweder Arbeitgebenden-Lobby oder wirtschaftspolitisch naiv – schwer zu sagen, was schlimmer wäre.
Zweitens: Es gibt Alternativen zu Spahn-Vorschlägen und CDU-Kahlschlägen. Damit sie umgesetzt werden, müssen nach Wahlen die richtigen Parteien eine Mehrheit haben – oder anders herum: Politiker*innen wie Jens Spahn nicht.


Geschrieben von: Technik Team

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