Die Ampel ist geplatzt: Apokalypse now?

Das Bild zeigt das rote Licht einer Ampel auf einem dunklen Hintergrund. Der Schriftzug lautet: Die Ampel ist geplatzt. Apokalypse now?

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Die deutsche Politik hat es mit dem Ende der Ampel geschafft ihre ohnehin schon ängstlichen Bürger*innen in eine Mischung aus resigniertem Kopfschütteln und ungläubiger Wut zu treiben. Das ist nicht nötig. Es bietet sich jetzt endlich wieder die Möglichkeit, echte Demokratie zu machen, von den Bürger*innen für sie. Ein Kommentar

Die Ampel steht vor dem Aus. Scholz hat Finanzminister Lindner (FDP) entlassen und will die Vertrauensfrage stellen. Die CDU nutzt das Chaos, um sie bereits dieses Jahr zu fordern, mit Erfolg: Vor Weihnachten soll der Kanzler die Mitglieder des Bundestags fragen, ob sie ihm als Kanzler noch vertrauen. Neuwahlen sind für den 23. Februar angesetzt. Wenn ich meinem Umkreis lausche, haben viele Angst, echte, reale, zu Tränen und Hoffnungslosigkeit rührende Angst vor dem, was jetzt passieren kann. Ich nicht, ich bin erleichtert. Endlich ist die Blase geplatzt. Es ist die Gelegenheit, sich jetzt sowohl auf zivilgesellschaftlicher als auch regierungspolitischer Ebene endlich mit den möglichen Konsequenzen einer profillosen, nach Rechts gerückten Regierung auseinanderzusetzen und politisch wieder aktiv zu werden. Die Linke war und ist kaum noch präsent, hätte jetzt jedoch die Chance, ihr Profil zu schärfen und da mit klaren Worten und Taten anzusetzen, wo SPD und Grüne versagt haben.

Die Ampel: Ein Rechtsabbieger

In die Bundestagswahlen 2021 haben Bürger*innen mit Interesse an sozial- und klimapolitischen Inhalten große Hoffnung gesteckt. Es wurde über Grüne an der Macht gemutmaßt, die die Klimakrise endlich politisch bekämpfen und sich nebenbei vielleicht auch noch für eine menschlichere Asylpolitik einsetzen würden. Mehrere Jahre später ist das Ergebnis ernüchternd. Die Grünen haben zwar keinen Bundeskanzler gestellt, sitzen mit Annalena Baerbock jedoch im Außenministerium und mit Robert Habeck im  Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Der Bundeskanzler, Olaf Scholz, ist ein Sozialdemokrat. Grüne und SPD sind Regierungsparteien, die lange dafür bekannt waren, sowohl Mensch als auch Umwelt in den Mittelpunkt ihrer Politik zu stellen. Unter der Ampel jedoch hat eine beständige Annäherung an rechte Positionen stattgefunden. Die umstrittene Gemeinsame Europäische Asylrechtsreform (GEAS), die dieses Jahr auf EU-Ebene verabschiedet wurde, wird von vielen Initiativen, wie Pro Asyl, und auch Parteimitgliedern wie dem SPD-Abgeordneten Dietmar Köster, als eine Gefährdung der Grundrechte Schutzsuchender empfunden. Die Grünen hatten ihre Zustimmung zwar lange verweigert, aber sie schließlich doch gegeben. Gleichzeitig ist der Klimaschutz, einst Herzensthema der Grünen, irgendwie in Vergessenheit geraten. Zuletzt hat Olaf Scholz seine Teilnahme an der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan kurzfristig abgesagt.

Der Aufstieg der AFD im letzten Jahr ist beispiellos aber nicht hoffnungslos

Genutzt hat es der Ampel nichts. Die AFD hat im letzten Jahr einen beispiellosen Aufschwung erlebt, in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hat sie bei den Landtagswahlen die 30 %-Marke geknackt, in Brandenburg stand sie kurz davor. Doch auch in den anderen Bundesländern sieht es nicht besonders rosig aus. In allen hat sie prozentual an Zuwachs erfahren.

Jetzt ist dieser ewige Schwebezustand, in dem die Ampel zwar irgendwie verteufelt, aber doch als notwendiges Übel ertragen wurde, endlich vorbei. Und diesen Knall haben wir gebraucht, um endlich wieder Tatendrang zu entwickeln. Mit dem 23. Februar gibt es ein Ablaufdatum, ein Datum der Angst und der Verheißung zugleich. Es gibt nun die Möglichkeit, zu resignieren und der Union sowie der AfD das Feld zu überlassen oder aktiv zu werden. Und mit aktiv ist nicht das Aufflammen eines kurzzeitigen Aktionismus gemeint, wie er Anfang des Jahres nach den Correctiv-Enthüllungs-Recherchen entstanden ist. Wenn den vielen Krisen dieser Zeit souverän begegnet werden soll, muss diese Begegnung aus der Gesellschaft heraus entstehen. Wir haben in der Hand, wie sich die Zukunft unserer Demokratie gestaltet. Drei Monate Wahlkampf sind kurz und bieten Parteien, wie der AfD, mit ihrer hetzerischen Sprache einen idealen Nährboden. 

Demokratie ist Handarbeit: Was wir wollen (könnten)

Umso wichtiger ist es, eine Gegenbewegung von Bürger*innen für Bürger*innen zu gestalten und sich zu fragen, was wollen wir eigentlich in Zukunft? Wollen wir weitere Jahre im Schwebezustand unter einer Regierung, die durch gegenseitiges Blockieren erstarrt ist? Wollen wir eine teils gesichert rechtsextreme Partei an der Macht, nur weil wir frustriert von der jetzigen Politik sind? 

Die Blase ist geplatzt. Das mutet vielleicht ein wenig apokalyptisch an, aber damit bietet sich jetzt die Möglichkeit, wieder echte Demokratie zu machen, unverdrossen, laut und wütend auf den Straßen maßlos klingende Forderungen zu stellen, deren Inhalte wirklich alle und nicht nur ein paar privilegierte weiße Männer betreffen. Was wirklich maßlos ist und was nicht, entscheiden dann wieder wir, die Bürger*innen, die die Entscheidungen direkt betreffen. 

Demokratie macht sich nicht von alleine und auch nicht von der Führungsetage, Demokratie machen wir alle. Und wenn wir wollen, dass das weiterhin so bleibt, müssen wir unsere Angst überwinden und anfangen zu protestieren und zu streiten und Rückschlägen zu begegnen, anstatt nur zu schimpfen und den Kopf danach wieder in den Sand zu stecken. Demokratie ist Handarbeit und wir sollten wieder anfangen uns die Hände schmutzig zu machen. Mit Wut und Hoffnung protestiert es sich leichter als mit Angst.


Geschrieben von: Jessica Dietz

Jessica Dietz