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Wie das Flughafenverfahren das Recht auf Asyl torpediert

Das Recht auf Asyl ist eine Errungenschaft der Europäischen Union – eigentlich. Denn während wir uns hier für unsere Menschlichkeit feiern, werden immer noch gravierende Unterschiede zwischen Geflüchteten gemacht: beispielsweise danach, wie sie nach Deutschland gelangt sind.

Man stelle sich vor, jemand hat es endlich geschafft und ist der Gefahr im Herkunftsland entkommen, die zur Flucht gezwungen hat. Hat eine lebensgefährliche Flucht überstanden, die neben der körperlichen auch eine enorme psychische Belastung war. Endlich in Deutschland angekommen, kaum aus dem Flugzeug ausgestiegen, da wartet der Schock: ein reguläres Asylverfahren wird es nicht geben. Denn hier, im Transitbereich des Flughafens,  ist das Ende der Flucht erreicht und es droht ein schnelles Ende: durch das sogenannte Flughafenverfahren.

Die falsche Art zu fliehen

Normalerweise läuft ein Asylverfahren so ab: Nach der Registrierung der Geflüchteten erfolgt die Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung, dann kommt die persönliche Asylantragstellung beim Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF). Nachdem der Antrag geprüft wurde, erfolgt die persönliche Anhörung über die Fluchtgründe und erst dann wird über den Asylantrag entschieden. Dieser ganze Vorgang kann schon mal gut ein Jahr dauern. Anders beim Flughafenverfahren: Hier soll schon innerhalb von 2 Tagen eine Entscheidung gefällt werden, mit einer Klage kann der Prozess höchstens auf 19 Tage verlängert werden, fast immer zum Nachteil der Geflüchteten.

Denn während traumatisierte und erschöpfte Menschen im Transitbereich des Flughafens festgehalten werden, faktisch in Haft genommen sind, haben sie nicht die gleichen Rechte wie Asylbewerber*innen, die nicht auf dem Luftweg eingereist sind. Es ist neben den Gründen, warum man geflohen ist, jetzt anscheinend auch noch wichtig, dass man auf die richtige Art und Weise flieht.

Das Asylrecht wird ausgehebelt

Solange die Menschen sich im Transitbereich aufhalten, gelten sie nicht als eingereist, und dadurch entfallen wichtige Rechte, beispielsweise medizinische Versorgung oder finanzielle Unterstützung. Auch ist es ihnen nicht möglich, ihren Antrag ausreichend vorzubereiten: Die Konfrontation mit den oft traumatischen Fluchtgründen ist anstrengend und bedarf einer sicheren Umgebung. Dadurch dass der Antrag enorm wichtig für die Entscheidung des Asylverfahren ist, müssen Geflüchtete gut ausgeruht und konzentriert sein, eine gute Vorbereitung nimmt mehrere Wochen in Anspruch, all das ist im Flughafenverfahren aber nicht möglich.

Im Jahr 2021 ist mehr als die Hälfte dieser “Schnellverfahren” abgelehnt worden und die Menschen haben gar nicht erst die Chance erhalten, einen Asylantrag zu stellen.

Denn die Prüfung dieses Antrags entscheidet darüber, ob Geflüchtete überhaupt einreisen dürfen, um dann ganz regulär das Asylverfahren zu durchlaufen. Im Jahr 2021 ist mehr als die Hälfte dieser “Schnellverfahren” abgelehnt worden und die Menschen haben gar nicht erst die Chance erhalten, einen Asylantrag zu stellen. Auch rechtliche Beratung ist im Flughafenverfahren fast immer unmöglich. Durch den enormen Zeitdruck fehlt Anwält*innen, selbst wenn sie es mal dorthin schaffen, auch die Zeit, um sich ausreichend vorzubereiten. Insgesamt haben die qualitativen Mängel  dieses  Verfahrens ganz klar eine Ungleichbehandlung der Geflüchteten zur Folge.

Man kann sich an dieser Stelle auch die Frage stellen, ob diese Art des Vorgehens überhaupt rechtmäßig ist, nachgewiesenermaßen kommt es zu erheblichen Mängel im Verfahren. Das Recht auf Asyl beinhaltet auch das Recht auf ein faires Verfahren. Geflüchtete an der Grenze oder eben am Flughafen auszusortieren, dass kann nur der feuchte Traum eines AfD-Politkers sein.


Geschrieben von: Carla von Frieling

Carla von Frieling

Carla ist Aktivistin bei der Seebrücke und beschäftigt sich gerade mit Asyl- und Aufenthaltsrecht. Für REVOLTE schreibt sie über Seenotrettung, Bleiberecht und Rechtsradikalismus. Kontakt: @carla.vf auf Instagram