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Nach der umstrittenen Abstimmung im Bundestag mit AfD-Abgeordneten präsentiert die CDU auf ihrem Parteitag eine geschlossene Front. Friedrich Merz und Markus Söder genießen den Rückhalt ihrer Partei. Ist das Schein oder Sein?
Friedrich Merz steht am Rednerpult in einem vollen Messesaal und kommt gar nicht zum Reden. So beginnt der CDU-Parteitag: Es wird minutenlang applaudiert. Merz fängt immer wieder an – “Danke, vielen Dank” – aber die Begeisterung ist zu groß. Nach dem Brandmauer-Skandal im Bundestag scheint die CDU geschlossen hinter Merz zu sein.
Dass es eine Spaltung innerhalb der CDU zu der letzten Asyl-Abstimmung gab, ist hier nicht sichtbar – die Merkelianer und Gegenstimmen zu Merz kommen gar nicht zu Wort, vermeiden Interviews und halten erst recht keine Reden. (Merkel selbst besucht seit dem Ende ihrer Amtszeit keine Parteitage.) Wer die Reden hält, sind die bekannten Gesichter und Führungsriege der CDU/CSU: unter anderem Julia Klöckner, Carsten Linnemann (Generalsekretär der CDU) und Markus Söder (CSU-Chef). Sie betonen in ihren Reden ihre Begeisterung für Merz.
Wo es auf anderen Parteitagen zu langwierigen Diskussionen und Abstimmungen kommt, sieht der CDU-Parteitag anders aus. Genau zweimal gibt es Abstimmungen über inhaltliche Anträge, die beide von einer geschlossenen Mehrheit angenommen werden. Einmal nämlich das “Sofortprogramm”, das schnellstmöglich bei einer Merz-Kanzlerschaft umgesetzt werden sollte: Abbau von wirtschaftlichen Regulierungen, Sicherheitsmaßnahmen wie elektronische Fußfesseln für Gewalttäter und starke Einschränkungen im Migrationsrecht. Zum anderen sollte die nächste Koalition in Zukunft nicht vom Parteitag mit seinen 1001 Delegierten beschlossen werden, sondern von einem Bundesausschuss von 200 ausgewählten CDU/CSU-Politiker*innen.
Die Demos gegen die gemeinsamen Abstimmungen mit der AfD werden mehrfach kritisiert. Sowohl Klöckner als auch Merz werfen den Demonstrant*innen vor: Wo wart ihr, als Israelhasser auf die Straße gingen?
Söder läuft herein, und im Saal steht nahezu jeder auf – mit Musik und Standing-Ovation wird er empfangen. In seiner Rede macht er außerordentlich Stimmung, heizt mit den Themen Gendern, Asyl und Bratwurst auf. “Ein Leben ohne Bratwurst ist sicher möglich”, sagt er, “aber nicht sinnvoll!” Das Publikum tobt.
Was auch das Publikum zum Lachen bringt, sind Angriffe auf die Ampel und ihre Gesichter. Der Gesundheitsminister Karl Lauterbach sehe doch gar nicht so gesund aus. Baerbock sei arrogant und sehe sich als “die Majestät”. Habeck sei zutiefst inkompetent, seinen Namen hört man heute beim Parteitag immer mal wieder. Die CDU/CSU scheint insgesamt die Grünen von einer Koalition auszuschließen; laut Söder gehören sie auf die Oppositionsbank, was das Publikum offenbar genauso sieht.
Trotz Angriffe auf Lauterbach und Scholz bleibt die SPD als Partei im Vergleich zu den Grünen verschont, über die FDP möchte Söder “gar nicht erst sprechen”. Das weist darauf hin, dass die Union eine schwarz-rote Koalition anstrebt. Sicher bleibt eins: die CDU hat sich als Priorität Nummer eins Migrationsverschärfungen gesetzt. Doch es werde laut Merz “keine Zusammenarbeit mit der AfD” geben. Kurz entsteht, inmitten des Standing-Ovation, ein Protest: Einige Menschen im Publikum halten das Wort “Brandmauer” hoch, bevor sie von Sicherheitsmännern und anderen Zuschauern bedrängt werden. Gibt es denn in der CDU doch mehr Konfliktpotenzial, als die Führung es gerne hätte? Schließlich waren die kontroversen Abstimmungen im Bundestag eine faktische Zusammenarbeit mit der AfD, auch wenn Merz dies bestreitet.