Seit Monaten warten 3,5 Millionen Studierende auf die Energiepreispauschale in Höhe von 200 Euro, die ihnen vom Bund versprochen wurde. Das können sich Studierende gerade jetzt nicht leisten. REVOLTE erklärt.
Vom “Deutschland-Tempo” keine Spur
Mit dem dritten Entlastungspaket kündigte sich eine Energiepreispauschale für Studierende und Fachschüler*innen in Höhe von 200 Euro an. 3,5 Millionen Menschen sollten sie noch innerhalb dieses Winters erhalten. Nachdem die letzten Entlastungspakete Einmalzahlungen ausschließlich für BAföG-Empfänger*innen und den Jobber*innen unter den Studierenden vorsah und damit diejenigen, die weder gefördert wurden noch erwerbstätig waren, außen vor ließ, soll das dritte Entlastungspaket also diesmal wirklich allen zugutekommen. Die einzige Voraussetzung: Man muss zum 1.12.2022 an einer deutschen Hochschule immatrikuliert gewesen sein. An die Idee, dass die Zahlung selbst beantragt werden muss und zwar auf einer digitalen Plattform, die dafür noch eigens eingerichtet werden sollte, hatte man sich schon (fast) gewöhnt, als sich das nächste Ärgernis anbahnt: Über 150 Tage lässt die Einmalzahlung schon auf sich warten, ohne dass es eine konkrete Aussicht darauf gäbe, wann genau sie kommen soll. Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) verweist lediglich auf die BundID, die schon beantragt werden kann und für die Auszahlung notwendig sein wird.
Was ist diese BundID und warum ist sie hier fehl am Platz?
Die BundID stellt einen wichtigen Schritt in der Digitalisierung der Bürgerämter dar. Der Nutzeraccount auf Bundesebene bietet neben dem Personalausweis eine digitale Ausweismöglichkeit, die Behördenleistungen und sogar finanzielle Hilfen online zugänglich macht. Wie einfach sie in der Praxis zu benutzen ist, wird sich noch zeigen: Momentan wird der Zugang zu den Services in drei “Vertrauensniveaus” aufgeteilt, die je einen anderen Weg der Registrierung erfordern. Staatliche Zahlungen sind erst auf dem höchsten Niveau möglich, also durch Registrierung mit der eID oder einem elektronischen Aufenthaltstitel.
Vor allem stellt sich aber die Frage, ob es für die Einmalzahlung wirklich die BundID gebraucht hätte. Warum reicht es nicht, sich per Immatrikulationsbescheinigung oder dem Hochschul-Account auszuweisen oder die Hochschulen in dem Identifikationsprozess so miteinzubinden, dass die bürokratische Last auf Studierende entfällt?
Natürlich verständlich, dass das Bundesbildungsministerium die Entlastung zielgerecht an Studierende auszahlen und Möglichkeiten zum Betrug durch bürokratische Detailarbeit reduzieren möchte. Nur darf das im Moment nicht das Gebot der Stunde sein. Mit jedem Monat zehrt die Inflation mehr an den Geldbörsen der Studierenden und im Februar werden die dreistelligen Beiträge für das neue Semester fällig. Es gilt jetzt zu entlasten und das weitreichend. Da kann es nicht heißen, dass Bürokratie wichtiger ist als die finanzielle Sicherheit und das psychische Wohlbefinden unserer Jugend.
Weitere 345 Euro nur für BAföG-Empfänger*innen?
Im dritten Entlastungspaket kommen für BAföG-Empfänger*innen zum Heizkostenzuschuss von 230 Euro im Vorjahr noch weitere 345 Euro hinzu. Das ist gut, denn das Geld wird dringend gebraucht. Aber dass nur Menschen in Ausbildungsförderung die Heizkostenzuschüsse in Höhe von insgesamt 575 Euro erhalten, ist falsch. Die Annahme, dass Menschen, die kein BAföG beziehen, weniger betroffen sind, ist ein Trugschluss. Es gibt viele Fälle, in denen bedürftige Menschen nicht die Bedingungen für BAföG erfüllen, sei es ein angefangenes Studium im Ausland, das ein Semester über die erlaubte Maximaldauer hinausging, bevor man vor Krieg und Verfolgung flüchten musste, sei es eine schon abgeschlossene Erstausbildung, die in Deutschland nicht anerkannt wird und damit weder Arbeit noch finanziertes Studium erlaubt, sei es ein Aufenthaltstitel, der die Ausbildungsförderung ausschließt. Und selbst mit einem bestehenden Recht auf BAföG ist es nicht getan. Man beachte die enormen bürokratischen Hürden, die einen in den Studierendenwerken (den BAföG-Ämtern) erwarten, und die mitunter monatelangen Wartezeiten, die die finanziellen Kapazitäten Studierender und ihrer Familien aufs äußerste ausreizen.
Keine Zeit für Bürokratie
Im Herbst 2022 teilte das Statistische Bundesamt mit, dass 76,1 % aller Studierenden in Deutschland, die alleine oder in Studierenden-WGs leben, armutsgefährdet sind. Kurz danach forderte das Deutsche Studentenwerk (DSW) in einer Pressemitteilung Nachbesserungen beim BAföG, das trotz Reform immer noch nicht ausreicht. Und laut eines Berichts der KJS sorgen sich 68 % aller jungen Menschen, dass sie oder ihre Familie in Armut verfallen. Es ist höchste Zeit, dass der Bund solche Zahlen ernst nimmt.
Liebe Frau Bundesbildungsministerin, die Einmalzahlung brauchen wir jetzt! 3,5 Millionen Menschen warten.