Lukas Krieger: Vom Nazi-Video zum Spitzenkandidat der CDU!

Lukas Krieger wurde einst bekannt durch Nazi-Sprüche und ein Hakenkreuzabzeichen – heute ist er Spitzenkandidat der CDU in Berlin-Charlottenburg.

Passiert ist alles auf einer Reise der Jungen Union nach Riga 2005: Betrunkene junge Mitglieder der CDU halten ein Hakenkreuz-Abzeichen in die Kamera und klopfen Nazisprüche wie: “Deutschland muss  deutsch bleiben“. Das macht die Sachen besonders schlimm: In Riga wüteten die Nazis, wie im gesamten Baltikum, besonders stark. Das Nachbarland Estland wurde sogar als “judenfrei” bezeichnet! Im Video sticht einer besonders hervor: Lukas Krieger. In zwei Wochen will er für die CDU als Direktkandidat für Charlottenburg-Wilmersdorf in den Bundestag einziehen. Laut aktuellen Prognosen ist es wahrscheinlich, dass Krieger mit großem Abstand gegen seine bekannten Mitbewerber*innen, Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Michael Müller (SPD), den ehemaligen Berliner Bürgermeister, gewinnt. 

“Ich denke, dass wir uns darum kümmern müssen, dass wir in Deutschland auch wieder als Deutsche erkennbar sind, dass Deutschland deutsch bleibt und wir gegen den jüdischen Bolschewismus durchaus vorgehen.”

Lukas Krieger im Video

Nur eine Jugendsünde?

Krieger behauptet, er hätte sich mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt und setze sich aktiv für ein Erinnern an den Nationalsozialismus ein. Doch das heißt nicht, dass er geeignet ist, die Bürger*innen im Bundestag zu vertreten. Im Video wird deutlich, dass er nicht nur dumme Sätze nachplappert – er erklärt die Ideologie ganz genau. Er scheint sich damit befasst zu haben, all das spricht für ein grundsätzliches Problem und nicht für einen einmaligen Fehler.

Nachdem das Video 2008 bekannt wurde, war die Öffentlichkeit geschockt, es hagelten Konsequenzen: Krieger musste aus der Partei austreten und durfte keine politischen Ämter ausüben. Er bezeichnete das Video damals als den schwersten Fehler seines Lebens, den er zutiefst bereue.

Doch bereits 2016 kehrte er in die Politik zurück. Trotz der Kritik des Ortsverbands Schmargendorf kandidierte er damals für das Berliner Abgeordnetenhaus in Charlottenburg-Wilmersdorf. Die Vorsitzende Stefanie Bung wird damals mit den Worten im Tagesspiegel zitiert, Krieger habe bis zum ersten Auftauchen des Videos “überhaupt keine Reue gezeigt“. Es bleibe “der fade Eindruck“, er habe durch den Beitritt in proisraelische Gesellschaften nur Vorbereitungen für seine politische Karriere treffen wollen. Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft meldete  sich zu Wort: das Verhalten sei weder durch Alkohol zu begründen, noch als Jugendsünde abzutun.

Eine gute Wahl für den Bundestag?

Trotz der klaren Aussagen der CDU aus dem Jahr 2016 ist Krieger heute Spitzenkandidat der CDU für die Bundestagswahl. Das ist schwer zu verstehen, schließlich müsste es in der CDU genügend Nachwuchspolitker*innen geben, die keine Naziparolen in eine Kamera gesagt haben. Es wirkt, als würde Krieger abwarten, bis sich die Wogen  glätten, um dann in regelmäßigen Abständen zu versuchen, wieder in der Politik aufzutauchen. Mit der Begründung, es müsse jetzt aber auch mal gut sein und man müsse Fehler verzeihen, deckt ihn mittlerweile auch seine Partei. Aber kann man das wirklich verzeihen?  Sollte jemand mit dieser Geschichte wirklich die Bevölkerung im Bundestag vertreten?

Wenn sich Krieger so intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt hat, müsste er dann nicht gerade jetzt laut werden und mit aller Kraft versuchen, den Aufstieg der Rechten zu verhindern?

Hat die Junge Union ein Nazi-Problem?

Eins ist klar: Hier handelt es sich weder um eine Jugendsünde noch um einen dummen Streich: Kriegers Äußerungen  belegen zumindest für seine Vergangenheit eine zutiefst menschenverachtende und antisemitische Grundhaltung. In der Jungen Union ist er damit kein Einzelfall. Im Jahr 2018 sangen Mitglieder in einer Kneipe laut ein Lied, das Hitlers Armeen beim Einmarsch in andere Länder gesungen hatten – und filmten sich dabei. Das passierte ausgerechnet am 9. November in der Nähe einer Gedenkstätte in Moabit – am Jahrestag der Reichskristallnacht, in der die Nazis Synagogen anzündeten, Juden überfielen und ihre Geschäfte plünderten.

Vergeben und Vergessen?

Mittlerweile sind viele Jahre seit dem Video vergangen, Krieger ist nicht wieder auffällig geworden, er unterstützt die Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Ist jetzt also alles wieder gut?

Wenn Lukas Krieger, wie er sagt, sich wirklich intensiv mit dem Nationalsozialismus und Rechtsextremismus auseinandergesetzt hat, wo bleibt dann sein Aufschrei, wenn die CDU gemeinsame Sache mit der AfD macht? Müsste er nicht gerade jetzt laut werden und mit aller Kraft versuchen, den Aufstieg der Rechten zu verhindern?

Egal, wie viel Zeit vergeht, die Schwere der Tat bleibt bestehen und das verlorene Vertrauen wird nicht durch eine Entschuldigung und eine politische Auszeit wiederhergestellt. Ja, wenn er tatsächlich so reuevoll ist, wie er sich gibt, dann darf man ihm sicherlich verzeihen. Zu einem geeigneten Spitzenkandidaten macht es ihn aber trotzdem nicht. Denn Abgeordnete haben die Verantwortung, unsere vielfältige Gesellschaft zu repräsentieren, Antisemitismus und Hass haben keinen Platz in ihrem Leben, ihrer Vergangenheit oder in unseren Parlamenten.

Es stellt sich die Frage, warum es in der Berliner CDU gegen Kriegers Kandidatur heute – anders als 2016 – keinen Gegenwind mehr gibt. Offenbar kann die Partei heute leicht über die öffentliche Äußerung von  nationalsozialistischem Gedankengut hinwegschauen und sieht in Krieger einen geeigneten Volksvertreter. Die Union sendet damit die Botschaft, dass Rechtsextremismus keine wirklichen Konsequenzen hat, am Ende eben doch nicht so schlimm ist. Ein klareres Anzeichen für den Rechtsruck der CDU lässt sich wohl kaum finden. 

Aber vielleicht ist das alles auch kein Problem: Schließlich ist der aktuelle Kurs der CDU so weit nach rechts abgedriftet, dass Lukas Krieger genau der richtige Kandidat sein könnte.


Geschrieben von: Carla von Frieling

Carla ist Aktivistin im Bereich Flucht und Migration und beschäftigt sich gerade mit Asyl- und Aufenthaltsrecht. Für REVOLTE schreibt sie über Seenotrettung, Bleiberecht und Rechtsradikalismus. Kontakt: @carla.vf auf Instagram