Es geht anders: Wie Andi Babler in Traiskirchen Geflüchteten geholfen und die Demokratie gestärkt hat

Die Asylrechtsverschärfungen in Europa begründen Politiker*innen damit, dass die Aufnahmekapazitäten der EU erreicht sein. Rechtsruck alternativlos? Dass es anders geht, zeigt Andreas Babler, Bürgermeister in Traiskirchen.

“Die Situation im Erstaufnahmezentrum droht – trotz der monatelangen Verbesserungszusagen des Innenministeriums – nunmehr völlig zu eskalieren. Riesige Warteschlangen an der Essensausgabe bei Nässe und Kälte im Freien bzw. Mängel bei der Verpflegung, unüberschaubare Menschenmengen, die in Zimmern zusammengepfercht sind und trostlose und untragbare Zustände für Kleinkinder, sowie Berichte über eine mangelhafte medizinische Versorgung vor Ort, führen zu einer dramatischen und unhaltbaren Situation, die jegliche Menschenwürde vermissen lässt.”

Asyl-Krise in Traiskirchen: So reagierte SPÖ-Linker Babler

Mit diesem DRAMATISCHEN APPELL wendete sich Andi Babler im letzten November an die Öffentlichkeit. Babler, inzwischen SPÖ-Parteichef, war damals noch “nur” Bürgermeister der österreichischen Gemeinde Traiskirchen, in der die größte Geflüchtetenunterkunft des Landes stand. In Traiskirchen leben 20.000 Österreicher*innen – und zeitweise weit über tausend Geflüchtete.

Es ist eine Anklage, die so ähnlich klingt wie die aus dem Jahr 2016. Oder die aus 2015. Oder jene aus 2014, da war Babler gerade mal zwei Wochen im Amt: Das Flüchtlingslager in Traiskirchen sei schon wieder heillos überfüllt – sagte Babler vor acht Jahren. Und das sagt Babler immer noch. Konkret klagt er: Hier werde ein “Massenlager” geschaffen und “Obdachlosigkeit produziert”, weil das Innenministerium seiner Verantwortung nicht nachkomme. Es werde auf dem Rücken von Schutzsuchenden ein “politisches Spielchen” betrieben.

Ergebnis: Jede Nacht gingen Babler oder Freiwillige über Wochen durch die Straßen Traiskirchens und hielten Ausschau nach Geflüchteten. Der Pfarrer habe bereits Menschen aufgenommen, auch einzelne Traiskirchner Familien. “Ich fühle mich verantwortlich für alle Menschen, die in der Stadt aufhältig sind”, sagt Babler. “Wenn jemand in Traiskirchen lebt, dann will ich, dass er menschenwürdig lebt.” Auch wenn viele Menschen Schutz suchen, darf die Politik nicht aufhören, Hilfe zu gewähren, aber sie muss die unterstützen, die helfen: DAS ist Bablers einfache Forderung.

Rechte Asylpolitik verschärft Krisen auch in Deutschland

Doch insbesondere konservative Politiker*innen tun das Gegenteil: Sie wollen weniger helfen. Suchen nach möglichst wenig furchtbar klingenden Metaphern von vollen Booten und Herzen, die weiter sind als die gegebenen Möglichkeiten.

Und sie setzen auf geflüchtetenfeindliche Narrative: Die untragbaren Situationen in den VÖLLIG ÜBERFÜLLTEN Unterkünften wird den Schutzsuchenden vorgeworfen, nicht den Politiker*innen, die sie verantworten. Dabei haben die Geflüchteten nichts falsch gemacht, sondern nutzen bloß ihr Recht, einen Asylantrag zu stellen.

Babler sagt: Wer in Not ist, verdient Hilfe. Und nur weil viele Menschen in Not sind, ändert sich an diesem menschlichen Grundsatz doch nichts. Er sagt das, OBWOHL TRAISKIRCHEN OFFENSICHTLICH AM ENDE SEINER MÖGLICHKEITEN ANGEKOMMEN IST.

Was sich also ändern muss, ist nicht die Hilfsbereitschaft der Traiskirchener*innen, sondern die übergeordnete Politik.

Und das gilt auch in Deutschland: Wenn Kommunen die Mittel zur Unterbringung von Geflüchteten ausgehen, dann liegt das nicht daran, dass zu viele Menschen Schutz suchen, sondern daran, dass Bundes- und Landesregierungen versagen. Sie verhaken sich bei der Kostenfrage, anstatt schnell die benötigten Mittel für die Ausstattung von Unterkünften aufzubringen. Reiche Länder wie Deutschland oder Österreich könnten sich das leisten.

Doch sie machen es sich einfach. Die “liberale” Bundesregierung Deutschlands setzte sich gemeinsam mit der konservativen Regierung Österreichs für die Asylrechtsverschärfungen auf EU-Ebene ein.

Das ist beschämend. Und unmenschlich.

Rechte Asylpolitik bedeutet weiteren Rechtsruck insgesamt

Und: Es ist Wasser auf die Mühlen derer, die aus rassistischen Motiven gegen geflüchtete Menschen kämpfen. Politische Profiteur*innen von Asylrechtsverschärfungen sind nicht konservative oder liberale Parteien, es sind rechte und rechtsradikale Gruppierungen. Denn Asylrechtsverschärfungen erzeugen, egal wie sie gemeint sind, eine ablehnende Haltung gegenüber Geflüchteten. Und Wähler*innen reagieren darauf, indem sie diejenigen wählen, die Geflüchtete am radikalsten ablehnen.

Heißt: Wer sagt, dass seine Asylrechtsverschärfung weniger radikal ist als die Asylrechtsverschärfung, die jemand anderes gefordert hat, liefert dem anderen Stimmen. In Deutschland ist dieser andere übrigens noch nicht einmal die CDU, sondern die AfD. Umfragen und Wahlergebnisse zeigen das.

Die gute Nachricht ist: All das geht anders. Mit seiner menschlichen Haltung hat Andi Babler die Traiskirchner*innen von seinem Weg überzeugt. Auf Großdemonstrationen forderten sie Geld für die menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten statt weniger Geflüchtete in Österreich unterzubringen. Bei den letzten Kommunalwahlen halbierte Andi Babler so die rechte FPÖ und gewann für seine sozialdemokratische SPÖ 70% der Stimmen!

Die schlechte Nachricht ist: Die EU-Regierungschef*innen und -Innenminister*innen nehmen sich Andi Babler bislang noch nicht zum Vorbild.

Aber das sollten sie!

Weil es mehr Menschlichkeit bedeutet.

Und eine wehrhaftere Demokratie.


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team