“Sichere” Herkunftsländer? Warum vermeintlich sichere Herkunftsländer gar nicht sicher sind

Wirklich sicher? Warum eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer falsch ist

CDU und FDP bringen immer wieder eine Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer ins Spiel. Nancy Faeser zieht teilweise mit. Doch die Länder, die dafür in Frage kommen sollen, sind gar nicht für alle Flüchtenden sicher.

Was ist ein “sicheres Herkunftsland”?

Als “sicherer Herkunftsstaat” gilt ein demokratisches Land, von dem angenommen werden kann, dass niemand staatlich verfolgt wird und dass das Land seine Bevölkerung vor einer nichtstaatlichen Verfolgung schützt, also dass das Recht in so einem Fall auf ihrer Seite ist. Als sichere Herkunftsstaaten gelten in Deutschland alle Mitgliedsstaaten der EU und u.a. Albanien, Ghana und Mazedonien. 

Wird ein Land als “sicherer Herkunftsstaat” eingestuft, kann ein Asylantrag aus diesem Land schnell als “offensichtlich unbegründet” abgelehnt werden. Dann besteht zwar immer noch ein individuelles Recht auf Asyl, eine Einzelprüfung der Fälle soll, so der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung Joachim Stamp (FDP), noch immer erfolgen. Da aber in diesen Fällen “keine asylrechtlich relevante Verfolgung” angenommen wird, werden betroffene Anträge in der Regel abgelehnt. Bei einer Ablehnung haben Flüchtende statt 2 nur 1 Woche Zeit, um dagegen zu klagen, und können auch während eines laufenden Gerichtsverfahrens abgeschoben werden. Eine Klage muss unter Umständen aus dem sicheren Herkunftsstaat eingereicht werden.

CDU, FDP und SPD wollen Liste erweitern – Grüne (teilweise) dagegen

Immer wieder wird eine Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten ins Spiel gebracht, besonders von Seiten der CDU und FDP. Dabei geht es meistens um Algerien, Marokko, Tunesien, Georgien und Moldau. Ein Kabinettsbeschluss über die Aufnahme von Georgien und Moldau, den die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigt, liegt bereits vor. Nun steht eine Abstimmung im Bundestag und Bundesrat bevor. 

Die Grünen, die das Konzept hinter “sicheren Herkunftsstaaten” eigentlich grundsätzlich ablehnen, gehen an dieser Stelle mit und begründen das damit, dass Georgien und Moldau anstehende EU-Mitgliedsstaaten sind. Eine Aufnahme nordafrikanischer Staaten verhindern sie aber weiterhin. 

Georgien und Moldau

In Moldau droht Angehörigen der Bevölkerungsgruppe Roma Ausgrenzung und Diskriminierung. In Georgien schränkt die Regierung die Demokratie ein. Daher lehnen Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl die Aufnahme dieses Landes auf die Liste ab. Sie weisen auch darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht 1996 forderte, dass in einem sicheren Herkunftsstaat alle Bevölkerungsgruppen sicher sein müssen. Das trifft auf Moldau offensichtlich nicht zu. Über Flüchtende aus diesen Ländern behauptet der Migrationsbeauftragte Stamp: “Sie nutzen das Sozialsystem aus.” So reproduziert er lediglich Vorurteile über Migrant*innen.

Algerien und Marokko 

In den nordafrikanischen Staaten Algerien und Marokko drohen Homosexuellen Gefängnisstrafen. Auch heißt es vom Lesben- und Schwulenverband, dass LSBTIQ auch Ablehnung und “schwerwiegende Übergriffe” von “nicht-staatliche[n] Akteuren”.  Damit sind auch in diesen Ländern nicht alle Bevölkerungsgruppen sicher und verfehlen damit die Anforderung des Bundesverfassungsgerichts.

Tunesien

Für Tunesien gilt das Gleiche wie für die anderen nordafrikanischen Staaten Algerien und Marokko. Hinzu kommt aber, dass aufgrund einer staatlichen Hetzkampagne in den letzten Monaten der Hass gegenüber Migrant*innen und vor allem Schwarze stark zugenommen hat. Seit Monaten werden Migrant*innen immer wieder aus ihren Häusern gehetzt und u.a. Polizist*innen ohne Wasser in der Wüste ausgesetzt. Dort werden sie an der Rückkehr nach Tunesien gehindert. Viele verdursten in der Hitze

Vor allem eine Einstufung Tunesiens als “sicheres Herkunftsland” würde offenbaren, dass es eigentlich gar nicht um die Sicherheit im Land geht, sondern darum, dem Druck rechter Politiker*innen und ihrer Scheindebatten nachzugeben. 


Geschrieben von: Amy Amoakuh

Amy Amoakuh

Amy ist Chefredakteurin der REVOLTE. Sie beschäftigt sich neben Sprachwissenschaft auch mit Sozialpolitik und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Fragen, Anmerkungen oder Kommentare bitte an @a_amoakuh auf Twitter.