Horror-Flughafen BER wird zur Falle für Flüchtende

Abschiebezentrum BER Brandenburg

Das Land Brandenburg plant den skandalträchtigen Bau eines sogenannten “Behördenzentrums”, dem Abschiebezentrum BER Brandenburg, um mehr Menschen in einem rechtlich umstrittenen Asylverfahren abzuschieben. REVOLTE erklärt, warum das unbedingt verhindert werden muss. 

Ein- und Ausreisezentrum”, “Ankunftszentrum” oder “Behördenzentrum” – das Brandenburger Bauprojekt hat viele Namen. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen zögern jedoch nicht, es zu nennen, was es ist: ein Abschiebezentrum. Auf einer Fläche von 30.000 Quadratmetern am Flughafen BER soll diese Einrichtung gebaut werden: 64 Plätze zum Gewahrsam von Geflüchteten, die abgeschoben werden sollen, sind geplant, und 54 weitere für Antragstellende im Flughafenasylverfahren. Damit würden die Kapazitäten des derzeitigen Aufnahmezentrums in Berlin-Schönefeld erweitert.

Warum “Abschiebezentrum”?

Das u.a. dort vorgesehene Flughafenasylverfahren ist laut Frankfurter Neue Presse von “extrem kurze[n] Fristen” bestimmt und überlässt die Ankommenden der deutschen Justiz nur mit “eingeschränkte[m] Rechtsschutz”. Im Gegensatz zum herkömmlichen Verfahren, das nach sofortiger Registrierung des Asylantrags, den Antragstellenden Zugang zu staatlichen Leistungen (“Unterbringung, medizinische Versorgung und Verpflegung”) und eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Bezirks der Aufnahmestelle gewährt, verbietet das Flughafenverfahren den Schutzsuchenden die “Einreise”, d.h. das Verlassen des Flughafens, solange der Asylantrag nicht bewilligt ist. Zwar wird auf der Internetseite des Bundestags bestritten, dass es sich dabei um eine “Inhaftierung” als solche handele, nur lässt der unfreiwillige Flughafengewahrsam unter Aufsicht der Bundespolizei keinen anderen Vergleich zu. Und mit einer maximalen Frist von 19 Tagen ist das Flughafenverfahren eine beschleunigte, wenn nicht industrialisierte Version des herkömmlichen Asylverfahrens.

Nach Angaben des RBB sei die Anlage auch ein Schritt, die Zahl der Flughafenasylverfahren in Berlin-Brandenburg von 41 pro Jahr auf 300-400 zu erhöhen. Dass diese, wie der brandenburgische CDU-Innenminister Michael Stübgen behauptet, “unter humanitären Bedingungen” stattfinden können, ist mehr als zweifelhaft. Das Verfahren sieht vor, schutzsuchenden Menschen ihre Freiheit zu entziehen, ohne dies innerhalb eines Tages gerichtlich prüfen zu lassen, wie standardmäßig im Artikel 104, Paragraf 2 des Grundgesetzes festgelegt. Eine solche Prüfung muss erst nach 30 Tagen erfolgen. Wann soll bei diesen Fristen also der Gewahrsam durch einen Richter geprüft werden? Anscheinend nie. 

Abschieben zum Wucherpreis 

Schon die Umstände des Baus sind kontrovers. CDU-Innenminister Stübgen beauftragte die Privatperson Jürgen Harder mit dem Bau des Zentrums, ohne wie üblich den Auftrag offiziell auszuschreiben. Warum? Harder soll bereits im Besitz des notwendigen Grundstücks gewesen sein und er ist nicht bereit zu verkaufen, nein, er will das Land Brandenburg für die Nutzung seines Bauprojekts regelmäßig zur Kasse bitten. Das Gelände zu verstaatlichen wäre doch auch eine Option gewesen. Aber jetzt sind im Haushalt 2023/24 des Landtags ganze 315 Millionen Euro allein für Miete und Pacht der Anlage eingeplant. Und als gäbe es nicht schon genug Gründe, die Pläne über den Haufen zu werfen: Aufgrund zwielichtiger Immobilien-Geschäfte am Frankfurter Flughafen vor zehn Jahren ist der Geschäftsmann bereits wegen Korruption vorbestraft. Stübgens Bereitwilligkeit zur Arbeit mit ehemaligen Straftätern ist bewundernswert, nur fragt sich, ob das wirklich der richtige Weg ist, sie zu rehabilitieren.

Einen Antrag auf Baustopp der Linke-Fraktion lehnte die von der SPD geführte Regierung ab. Es gelang den Grünen in der Koalition lediglich, die Zahl der Plätze im Abschiebezentrum von 120 auf 64 runterzuringen. Dem Aufruf des Flüchtlingsrat Brandenburg folgend unterschrieben innerhalb von zwei Wochen über 18.000 Personen eine Petition gegen das Bauvorhaben. Wir wollen kein Abschiebezentrum, so die klare Haltung der Brandenburger:innen. Die Petition wurde dann am 17.11. dem Landtagspetitionsausschuss übergeben, doch der Ausgang ist noch ungewiss. Über den geplanten Haushalt soll der Landtag Mitte Dezember entscheiden. 

Warum es so wichtig ist, das Abschiebezentrum zu verhindern

Mit der Inhaftierung Schutzsuchender wird die Flucht implizit zur Straftat gemacht. Und nicht zuletzt: Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord. Durch diese menschenverachtende Praxis werden Existenzen ausgelöscht und Menschen in ihren sicheren Tod geschickt. 

In ihrer Stellungnahme vom 10.11.2022 mahnen die NGOs außerdem an, dass Verfahrensfehler keine Seltenheit seien, was laut Pro Asyl der kurzen Verfahrensdauer geschuldet ist. Dies bemängelten demnach auch der UNHCR und der Deutsche Anwaltsverband. Dem Juristen Peter Fahlbusch nach befand der Bundesgerichtshof die Abschiebehaft in diesem Jahr in zwei Dritteln aller untersuchten Fälle für gesetzeswidrig. Eine Fehlerquote von 66 Prozent darf in keinem Vorgang, der über das Wohl und die Sicherheit schutzbedürftiger Menschen entscheidet, akzeptabel sein! 

Das Flughafenasylverfahren ist schon jetzt rechtlich strittig. Mit der Zulassung des Baus und der Inbetriebnahme im Jahr 2025 wäre also ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, der ähnliche Projekte in anderen Bundesländern erleichtern und die vorschnelle Abschiebung schutzbedürftiger Menschen noch weiter zum “business as usual” machen könnte. 


Geschrieben von: Amy Amoakuh

Amy Amoakuh

Amy ist Chefredakteurin der REVOLTE. Sie beschäftigt sich neben Sprachwissenschaft auch mit Sozialpolitik und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Fragen, Anmerkungen oder Kommentare bitte an @a_amoakuh auf Twitter.