SCHOCK-URTEIL GEGEN LINA E. KOSTET RECHTSSTAAT VERTRAUEN

Bild von Lina E. im Gerichtssaal

Weil sie einen Rechtsradikalen überfiel, muss Lina E. für fünf Jahre ins Gefängnis. Erzählt man die Ereignisse im richtigen zeitlichen Ablauf, wirkt das Urteil wie eine Farce.

Leon R. betreibt in Eisenach eine Kneipe, das “Bull’s Eye”. Mit einigen seiner Stammgäste gründete er einen Kampfsportverein, genannt “Knockout 51”. Klingt harmlos? Ist es nicht. Denn Leon R. ist rechtsradikal.

Heute ermittelt die Staatsanwalt gegen ihn. Verdacht: GRÜNDUNG EINER KRIMINELLEN VEREINIGUNG! Sein Lokal in Eisenach ist Treffpunkt der rechten Szene, mit seinem Kampftrupp soll er rassistische und staatsgefährdende Straftaten vorbereitet haben.

Worum es wirklich geht

Das Problem ist: Den Behörden viel Leon R. nicht auf. Obwohl sein Lokal immer nur von eindeutig identifizierbaren Rechtsradikalen besucht wurde und obwohl sein Kampftrupp bereits durch die Straßen Eisenachs zog, mit dem Ziel einen “Nazikiez” zu errichten. Man verfolgte und bedrohte, mehrfach es kam bereits zu Übergriffen.

Doch Leon R. rückte anders in das Blickfeld der Behörden. Dank Lina E. nämlich. Lina E. war wütend über das Wegsehen der Behörden, wollte etwas gegen die Nazi-Truppe unternehmen und wehrte sich: Gemeinsam mit Freund*innen überfiel sie R.s Kneipe, man mischte rechtsradikale Demos auf und bedrohte darüber hinaus NPD-Politiker.

Zur Einordnung: Die NPD ist laut Bundesverfassungsgericht eine verfassungsfeindliche Partei. Auch auf mehreren Kundgebungen, die Lina E. attackiert haben soll, wurden mutmaßlich Straftaten, darunter Volksverhetzung, begangen.

Worum es heute ging

Und das Blatt wendete sich, es wurde ermittelt – ALLERDINGS GEGEN LINA E.! Vorgeworfen werden ihr und ihren Mitstreiter*innen gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und räuberischen Diebstahl. Und: die Bildung einer kriminellen Vereinigung, weswegen die Bundesanwaltschaft ihrerseits die Ermittlungen übernahm. Heute fand der Gerichtsprozess gegen sie mit dem Urteilsspruch sein Ende.

Bundesanwältin Franziska Geilhorn, Vertreterin der Anklage, sagte in ihrem Plädoyer: Lina E. und die Mitangeklagten hätten den „friedlichen politischen Meinungskampf als Grundelement einer freiheitlichen Demokratie“ infrage gestellt. Volkserhetzung und andere rechte Straftaten, die es buchstäblich zum Ziel haben, die freiheitliche Demokratie abzuschaffen, rechtfertigten das nicht.

Hintergrund: Schon 2020 kam Lina E. in Untersuchungshaft. Über 100 Tage dauerte das Gerichtsverfahren. Für den Prozess wesentlich: Die Aussage von Leon R. und weiterer Zeug*innen aus der rechtsradikalen Szene. Auch ein Kronzeuge, der ehemals zu E.s Umfeld gehört hatte, bestätigte die Taten.

Lina E. und die Mitangeklagten wurden darum verurteilt. E. zu fünf Jahren Haft. Für E.s Verteidiger ein Schock: Die Verteidigung wirft der Anklage vor, einen „politischen Prozess“ geführt zu haben und dem Gericht, es wolle ein „Exempel“ in ihrem Kampf gegen die linke Szene statuieren.

Staatsversagen erschüttert Demokratie

Die Stadt Leipzig, wo der Prozess gegen E. stattfand, schränkte für heute übrigens die Versammlungsfreiheit ein, Kundgebungen rund um den Gerichtsprozess waren verboten. Ein dunkler Schatten liegt über dem Demokratieverständnis der Leipziger Stadtgesellschaft.

Um es klar zu sagen: Gewalt ist kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Aber ist es wirklich nicht nachzuvollziehen, dass es Lina E.s Vertrauen in den Rechtsstaat erschütterte, dass es eben diese, ihre Gewalt brauchte, um eine rechtsterroristische Gruppierung mitten in Deutschland auffliegen zu lassen?

Und ist vor diesem Hintergrund eine langjährige Haftstrafe tatsächlich vertretbar? E.s Verteidiger fragte vor Gericht jedenfalls zynisch: “Muss man ein Nazi sein, um eine Bewährungsstrafe zu bekommen?”

Mit ihrem Versagen im frühzeitigen Erkennen und zerschlagen von rechten Strukturen hat der deutsche Staat in den letzten Jahren immer wieder Vertrauen verspielt. NSU, Halle, Hanau.

Das heutige Urteil hat das nicht verbessert – im Gegenteil.


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team