Wahl-Krimi Berlin: Ist Wegner der AfD-Bürgermeister?

AfD Wegner im Wahl-Krimi Berlin: Ist Wegner der neue AfD Bürgermeister?

Kai Wegner (50, CDU) sollte heute im Berliner Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister gewählt werden. Wenn er ein normaler Politiker wäre ohne rassistische Skandale, wäre dieses Vorhaben wahrscheinlich auch reibungslos geglückt. Nicht grundlos hat man eine Koalition aus SPD und CDU gezimmert, ein Koalitionsvertrag geschrieben und die Mitgliederbasis beider Parteien ordnungsgemäß über diesen abstimmen lassen. Eigentlich sollten nach dem ganzen Prozedere nun auch die linkesten SPD-Abgeordneten auf Linie sein und den neuen demokratisch legitimierten Bürgermeister wählen. Stattdessen steht die Frage im Raum, ob Wegner AfD-Stimmen zum Sieg helfen mussten.

Wegner kann die eigene Mannschaft nicht hinter sich versammeln

Auf Schwaz-Rot entfallen 86 von 159 Sitze im Abgeordnetenhaus. In Wahlgang eins oder zwei bedarf es der absoluten Mehrheit von 80 Stimmen, um gewählt zu werden. Selbst bei sechs Abtrünnigen wäre Wegner mit dieser Stimmenanzahl Bürgermeister. Doch Wegner scheitert krachend: Im ersten Wahlgang stimmen lediglich 71 Abgeordneten für ihn, im zweiten sind es 79.

Vor dem letzten Wahlgang: Das verzweifelte Suchen nach Geschlossenheit

Im dritten Wahlgang reicht eine einfache Mehrheit von 50 %, um Bürgermeister zu werden, das wären hier 80 Stimmen. Dass es die GroKo nicht schafft, eine stabile Mehrheit aller ihrer Abgeordneten zu vereinen, wirft jedoch bereits jetzt einen düsteren Schatten auf die kommende Regierungszeit. Es ist die totale Blamage. Zu diesem Zeitpunkt reichen Grüne und Linke eine helfende Hand. Sie bieten an, die Abstimmung zu vertagen, damit sich die Regierungsfraktionen sammeln können und beim nächsten Mal möglichst einstimmig diesen Vorgang durchstehen. Doch um über diese Brücke zu gehen, ist man zu stolz. Auch der Ältestenrat des Parlaments wird zusammengerufen und tagt eine halbe Stunde über die Situation.

SPD und CDU vollziehen Probeabstimmungen, um Abweichler zu identifizieren. Diese sind jedoch nicht bindend und sagen wenig über das tatsächliche Abstimmverhalten in den relevanten Wahlgängen aus. Es wird sogar gemunkelt, es seien gar nicht die Sozialdemokrat*innen, die Wegner die Zustimmung verweigern, sondern alte Feinde aus den eigenen Reihen der CDU.

Schmierenkömodie: AfD torpediert mit Pressemitteilung

Um die Blöße, die sich SPD-Fraktionschef Saleh und Kandidat Wegner an diesem Tag geben, perfekt zu machen, publiziert die AfD eine Pressemitteilung. In dieser kündigt die rechtsextreme Partei an, Wegner zu einer Mehrheit zu verhelfen. Wie bereits im Fall Kemmerich in Thüringen, ist es für Demokrat*innen absolut inakzeptabel auf die Zustimmung der AfD zurückfallen zu müssen. Dadurch entstünde eine Abhängigkeit von faschistischen Kräften, die man niemals hinnehmen könnte.

Trotzdem geht die GroKo in den dritten Wahlgang. Die Wahl ist geheim. Die Zahlen gehen am Ende zwar auf (86 Stimmen für Wegner, bei 86 potenziellen Stimmen der Regierungsfraktionen), doch sicher sagen kann man am Ende nicht, dass dieser Bürgermeister von Demokrat*innen gestützt wird. Und selbst wenn, muss man sich fragen: Was ging da ab? Wie sehr wurden abtrünnige Abgeordnete, die eigentlich nur ihrem Gewissen verpflichtet sein sollten, in diesen Stunden unter Druck gesetzt, um auf Teufel komm raus Wegner zum Bürgermeister zu wählen? Was wäre passiert, wenn nur ein*e einzig*er weiter rebelliert hätte bei diesem dritten so entscheidenden Wahlgang?

Fazit: Die SPD Berlin hat fertig

In den sozialen Medien fragen sich tausende User, ob Kai Wegner nun von Nazis gewählt wurde. Ist er der AfD Bürgermeister? Haben in Berlin Sozialdemokrat*innen mit der AfD gestimmt und dabei ihre Grundwerte verraten? Wer weiß? Zuzutrauen wäre es ihnen mittlerweile. Und für den stabilen Rest der Partei wirft das die Frage auf: Ist man gewillt, das Spiel der Fraktionsspitze mit dieser roten Linie zu akzeptieren, oder will man sich nicht lieber dort einbringen, wo konsequenter Antifaschismus gelebt wird. Tagtäglich auf der Straße beim Gegenprotest. Dort, wo Antifaschismus nicht für eine solche Shitshow in Mitleidenschaft gezogen wird. Die SPD-Landesverbände Sachsen oder Thüringen etwa würden sich sicherlich über ein paar neue zahlende Mitglieder freuen.


Geschrieben von: Isabelle Emig

Isabelle Emig

Isabelle ist Teil der REVOLTE und kümmert sich eigentlich um Orga und verschiedenes hinter den Kulissen. Manchmal schreibt sie auch. Beschwerden über das Geschriebene bitte über Twitter einreichen @isa_emig.