So einen brauchen wir auch!

Österreichs Sozialdemokrat*innen haben einen neuen Vorsitzenden: Andreas Babler. Warum der für die deutsche Politik ein Vorbild sein kann, kommentiert Jan Bühlbecker.

“Wir sind keine Bittsteller*innen” – Diesen Satz krieg ich nicht mehr aus dem Kopf. Gesagt hat ihn Andreas Babler, genannt Andi, Bürgermeister der österreichischen Stadt Traiskirchen und seit Samstag Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, Österreichs SPD.

Wer ist Andi Babler?

“Wir sind keine Bittsteller*innen!” Dieser Satz war der Leitgedanke seiner Parteitagsrede. Denn Babler ist ein Sozialdemokrat, der für klare Forderungen einsteht: Er kämpft für Arbeitszeitverkürzungen, will die Vier-Tage-Woche nach Österreich bringen, will eine Bürger*innenversicherung für alle Menschen in Österreich, das Recht aufs Wohnen verankern und mit einer Kindergrundsicherung Kinderarmut bekämpfen.

Und: Babler steht für einen politischen Kurs, der den Kampf gegen die Klimakrise, die er korrekterweise stets “Erderhitzung” nennt, auch für sozialen Fortschritt nutzen will. Dass Menschen und soziale Interessen gegeneinander ausgespielt werden, lässt Babler nicht zu.

Galt lange als Shooting-Star der Politik in Österreich: Sebastian Kurz. REVOLTE covert exklusiv den B*LD-Titel über ihn

So hat er es in Traiskirchen auch gegen jeden Trend geschafft, für die SPÖ die absolute Mehrheit zu gewinnen und die FPÖ, Österreichs AfD, zu halbieren. Manche sagen: Obwohl in Traiskirchen die größte Geflüchtetenunterkunft Österreichs gebaut wurde. Ich sage: Vielleicht auch deswegen. Weil Babler, der privat wie politisch gerne in St. Pauli-Jacke auftritt, glaubhaft macht, dass Solidarität nur international funktioniert.

Aber zurück zur Bittsteller*innen-Aussage. Man kennt das: Jede sozial- oder verteilungspolitische Forderung wird von neoliberaler Seite mit Neiddebatten bekämpft. “Vermögenssteuer? Streng dich doch lieber selbst an!” “Inflationsfeste Mindestlohnerhöhung? Hab doch lieber Bock auf Arbeit!”

Progressive Politik auf der Höhe der Zeit

Babler liefert das- richtige! – Gegennarrativ. Beispiel Arbeitszeitverkürzungen: Wegen der digitalen Revolution, dem technischen Fortschritt, ist die Produktivität über die letzten Jahre immens gestiegen. In der Landwirtschaft, wo oft schlecht bezahlt wird, hat sie sich in den letzten 25 Jahren sogar verdoppelt. Und wird auch in Zukunft weiter steigen. Davon profitieren die Arbeitnehmer*innen bislang zu wenig. Im Gegenteil: Vor allem die Firmen-Renditen steigen. Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich dürfen darum keine vorsichtig formulierte Bitte sein, sie sind eine Frage der Gerechtigkeit!

Und auch denen, die Bablers Forderungen als unrealistisch abtun, gibt der neue SPÖ-Chef die passende Antwort: “Träumer*in”, sagte Andi Babler in seiner Rede am Samstag, “das ist nur ein anderes Wort für Sozialdemokrat*in!”

Wesentliche Errungenschaften der Sozialdemokratie, führte Babler aus, galten lange als unrealistisch – Vom Frauenwahlrecht bis zur kostenfreien Bildung – und prägen unsere Gesellschaften seit ihrer Umsetzung doch bis heute. Und zwar sowas von positiv. Für Sozialdemokrat*innen gibt es also keinen Grund nicht mutig zu sein!

Wanted: deutsche Antwort auf Andi Babler

Und Andi Babler ist mutig. Und – noch wichtiger – er macht Mut. Er macht Mut, dass mehr Gerechtigkeit, ein selbstbestimmtes Leben und die Versöhnung von individueller Freiheit und Gemeinwohl möglich sind. Ich sage darum: So einen wie ihn brauchen wir hier auch!

In den letzten Tagen ist viel über das Erstarken der AfD geredet worden. Bittere Realität ist: Viele AfD-Wähler*innen sind Überzeugungstäter*innen. Aber es gibt unter den 18%, die sich nach Umfragen vorstellen können, ihre Stimme an blau-braun zu verschwenden, auch so einige, die sich hoffnungslos fühlen.

Wichtiger noch: Studien zeigen, dass die SPD ihre Prozente vor allem an Nichtwähler*innen verloren hat. Gilt für andere progressive Parteien übrigens genauso. Dass sind Leute, die Vertrauen in “die Politik”, aber vor allem in ihre Wirkungs- oder Gestaltungsmacht verloren haben. Und die gewinnt man nur zurück, wenn zwei Faktoren erfüllt werden:

Erstens, man hat ein radikal zukunftsfreundliches Programm. Das heißt man zeigt auf, wieso es in Zukunft freier und gerechter zugehen wird.

Zweitens, man hat ein*e Kandidat*in, die genau für dieses Programm steht. Eine Person, die es nicht nur aufsagt, sondern verkörpert. Und die einlädt mitzumachen. Denn Vertrauen entsteht durch Gemeinsamkeit. Babler ist es gelungen, eine Basisbewegung innerhalb der SPÖ zu aktivieren, das überzeugt und steckt an. Und es macht eine große Bewegung zur größten und stärksten Ideenschmiede, die weit denkt und bei dem ansetzt, was die Mehrheit der Menschen bewegt.

Wir sind keine Bittsteller*innen. Die Zukunft wird das, was wir daraus machen. Lasst sie uns zusammen gestalten!


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team