Für die SPD geht es um mehr als in der Politik möglich ist, wenn der Finanzminister Christian Lindner heißt

Wir haben beide getroffen: Philipp Türmer und Sarah Mohamed. Aber wer sollte das Rennen, um den Juso-Vorsitz machen? Das kommentiert REVOLTE-Autor Jan Bühlbecker.

Ich habe sie beide getroffen: Philipp Türmer und Sarah Mohamed, die beiden Kandidat*innen um den Juso-Vorsitz. Eine*r von ihnen wird Nachfolger*in unter anderem von Andrea Nahles, Kevin Kühnert und Jessica Rosenthal.

Die Situation, in der sie sich bewerben, ist dabei ganz schön besonders: Zum einen, weil es zum ersten Mal seit über 20 Jahren (!) ZWEI linke Kandidaturen um den Juso-Vorsitz gibt. Den letzten Linken-Wettstreit um die Spitze des SPD-Nachwuchs gewann übrigens Niels Annen, heute Staatssekretär im Entwicklungsministerium.

Das SPD-Paradoxon: Soziale Themen umgesetzt und trotzdem keinen Erfolg gespürt

Und zum anderen, weil die SPD sich in einer schwierigen Situation befindet. Mindestlohn-Erhöhung, Bürger*innengeld statt Hartz IV und Einführung der Ausbildungsplatzgarantie: Zwar hat die SPD in der Ampel bereits einiges durchsetzen können, doch gleichzeitig bleibt sie auch vergleichsweise blass und ihre Partner*innen wirken durchsetzungsstärker.

Beispiel Kindergrundsicherung: Die Einführung ist ein echter Erfolg, weil sie Leistungen bündelt und so leichter zugänglich macht. Viele Familien, die bislang besonders von Armut betroffen sind, werden von ihr enorm profitieren. Doch statt 12 Milliarden stehen zur Finanzierung erstmal nur 2 bereit, weil der FDP-Finanzminister seinen Sparfetisch durchgesetzt hat.

Man muss einfach feststellen: Ohne FDP ginge in der Regierung mehr!

Da sind sich auch Philipp Türmer und Sarah Mohamed einig. Und darum überrascht es auch nicht, dass beide Schwerpunktthemen setzen, die mit einem Vize-Vize-Kanzler Christian Lindner wohl kaum umsetzbar sein werden.

Sind die Ideen also zum verpuffen bestimmt? Immerhin betont Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) immer wieder, dass er auch nach der nächsten Bundestagswahl weiter Ampel-Kanzler bleiben wollen würde…

Roter Mut statt gelber Status quo

Ich finde nicht – im Gegenteil: Die SPD braucht GERADE, während sie regiert, Ideen und Inhalte, die über die aktuelle Koalition hinausreichen. Und genau die liefern Türmer und Mohamed. Davon kann die Partei profitieren.

Wenn sie endlich den Mut hat, eine Wahrheit auszusprechen: Nein, die Ampel ist keine Liebesheirat. Sie ist eine stabile, eine ausgleichende Regierung. Nicht mehr und nicht weniger. Sie organisiert einigen Fortschritt, aber sie verwirklicht keine Gerechtigkeit. Eine ECHTE Fortschrittskoalition nur aus SPD und Grünen wäre für die vielen Menschen in Deutschland, die auf sozial-gerechte Politik angewiesen sind, besser. Und für die SPD auch.

Für Philipp Türmer spricht, dass er Verteilungsgerechtigkeit konkret machen und verständlich erklären kann.

Für Sarah Mohamed, dass sie Vielfalt sichtbar und den Kampf gegen Ungerechtigkeit unüberhörbar macht.

Die SPD muss gefordert werden

Beide(s) brauchen die Jusos. Unabhängig davon, wer am Ende (ganz) vorne steht.

Egal, wer nun Juso-Chef*in wird, Philipp Türmer oder Sarah Mohamed, sie werden die SPD fordern – programmatisch und strategisch. Und sie werden die Genoss*innen daran erinnern, dass es für die SPD um mehr geht als um die Politik, die halt möglich ist, wenn der Finanzminister Christian Lindner heißt.

Für einige wird das vielleicht unangenehm, für andere ganz sicher empowernd und für die SPD als ganzes – da bin ich ganz sicher – ist beides notwendig.

Unabhängig davon, wer gewinnt: Das kann gut werden! Auch über die SPD hinaus.

Und wer gewinnt, das werden die Jusos nach hartem Ringen aus überzeugenden Gründen auf ihrem Bundeskongress im November entscheiden.

Ich bin gespannt.

Offenlegung: Ich bin SPD-Mitglied.


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team