Ein schlechter Tag

KI-generiertes Bild von der Festung Europa, darauf der Text: Ein schlechter Tag, Kommentar zur GEAS-Reform

Europa bedeutet für viele Menschen Hoffnung. Die Asylrechtsverschärfung bedeutet das Gegenteil. Und sie beraubt der EU ihrer Fundament, kommentiert Jan Bühlbecker.

Das war ein schlechter Tag für Deutschland und Europa.

Als Nancy Faeser Bundesinnenminister wurde, sagte sie “Rechtsextremismus” sei “die größte Gefahr” für unser Zusammenleben. Das machte mir Hoffnung. Denn ich habe ihr damals geglaubt, dass sie mit “Rechtsextremismus” tatsächlich Faschist*innen meint – und keine Kinder an EU-Außengrenzen.

Die von den europäischen Regierungschef*innen und Innenminister*innen geplante Asylrechtsverschärfung ist ein Akt der Unmenschlichkeit.

Haftlager für Kinder, Finanzierung von Pushbacks

Beispiel Eins: Auch Kinder sollen zukünftig an den EU-Außengrenzen inhaftiert werden können. Grenzverfahren. Sie sind das Ende des von der EU garantierten Menschenrechts auf Asyl und der in unserer Verfassung garantierten Einzelfallprüfung jedes Asylantrags.

Denn während dieser geplanten Grenzverfahren werden Menschen – wie beim Flughafenasylverfahren, das REVOLTE hier erklärt hatin Lager gesperrt, bekommen nur eingeschränkten Zugang zu rechtlicher Beratung und nur unzureichende medizinische Betreuung. Das Ergebnis: Während durchschnittlich 80% der in Deutschland gestellten Asylanträge angenommen werden, ist es bei Flughafenasylverfahren nur ein wesentlich geringerer Teil. Auch offensichtlich legitime Asylanträge werden also abgelehnt. Unbemerkt von der Öffentlichkeit, die keinen Zugang zu den Verfahren hat und von ihnen, weil sie vor den Toren der EU stattfinden, auch kaum etwas mitbekommen kann. Das wird zukünftig europäischer Standard.

Und es betrifft – und das ist wichtig! – nicht nur Menschen, die aus vermeintlich “sicheren Herkunftsländern” zu uns kommen. Auch Menschen aus Afghanistan, Syrien oder dem Iran können in Haftlager an den Außengrenzen eingesperrt und von dort unbemerkt abgeschoben werden. Spitzenpolitiker*innen übernehmen Patenschaften für politische Gefangene im Iran und stimmen dann Auslieferungen in die islamistische Republik zu? Das ist kein Traum. DER EUROPÄISCHE ALPTRAUM WIRD SO REALITÄT!

Beispiel Zwei: Ziel der Asylrechtsreform war es, dass alle EU-Staaten sich an der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten beteiligen. Die Einigung aber bedeutet das Gegenteil: Länder wie Ungarn oder Italien müssen auch zukünftig keinen schutzsuchenden Menschen helfen, sondern können sich mit der Reform “freikaufen”. Wofür ihr Geld verwendet werden soll? Für die sogennante “libysche Küstenwache”, die für illegale Pushbacks, das Erschweren der Seenotrettung und damit für das Sterben auf dem Mittelmeer erheblich mitverantwortlich ist.

Das Sterben auf dem Mittelmeer wird mit der Reform also nicht, wie von der Bundesregierung eigentlich versprochen, beendet – im Gegenteil: Es bleibt EU-zertifiziert und wird EU-finanziert.

EU spendet Hoffung? I doubt it!

Die EU – Das sei vor allem ein Werteprojekt, sagen Europas Politiker*innen immer wieder gerne. Vor allem, wenn, wie im nächsten Jahr, Europawahlen anstehen. 

Dieser Satz ist eine Lüge!

An europäischen Außengrenzen werden genau die Werte, die die EU sich zuschreibt, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Solidarität, mit Füßen getreten. Zukünftig mehr denn je.

Europa hat uns allen historische Errungenschaften gebracht. Doch statt darauf aufzubauen, reißt die EU sie systematisch ein. Denn genau das bedeutet der Asylkompromiss.

Wenn die EU die Menschenrechte nicht an ihrer Außengrenze verteidigt, kann sie Menschlichkeit auch nicht nach innen leben.

Wenn sie zulässt, dass die Rechtsstaatlichkeit in Asylverfahren eingeschränkt wird, kann sie die auch noch von ihren Mitgliedsstaaten glaubhaft einfordern.

Und auch den Kampf gegen die Klimakrise, nach der Sicherung des innereuropäischen Friedens – eigentlich DIE nächste historische Aufgabe der EU – kann sie nicht gewinnen, wenn sie die internationale Solidarität mit dem globalen Süden rücksichtslos aufkündigt.

Wie will die EU ein Friedensprojekt sein, während ihre Asylpolitik eine Kriegserklärung an Menschen in Not ist?

Bundesrepublik droht ihr Fundament zu verlieren

Dass Deutschland all das mitmacht, macht mich dabei übrigens richtig wütend. Denn gerade der deutsche Staat muss doch werteorientiert agieren. Es ist die Existenzberechtigung der Bundesrepublik, die Menschenwürde zu ihrem gesellschaftlichen Fundament und Leitgedanken ihres politischen Handelns zu machen. Aber davon kann bei diesem Asylkompromiss wirklich keine Rede mehr sein.

Olaf Scholz, Nancy Faeser: Stoppt diesen Asylkompromiss! Es ist noch nicht zu spät, das Richtige zu tun. Lasst uns das Menschenrecht erkämpfen. Lasst uns Europa endlich werteorientiert denken und die EU entsprechend neu erfinden!

Denn in einer Welt, in der Autokratien an Bedeutung gewinnen und internationales Recht immer öfter in Zweifel gezogen wird, hätte es genau das Gegenteil dieses Kompromisses gebraucht: ein bedingungsloses Bekenntnis zum Menschenrecht. DAS ist unsere Existenzberechtigung in der internationalen Politik. DAS hätte uns vom globalen Rechtsruck unterscheidbar gemacht.

Wie gesagt: Noch ist es nicht zu spät, das Richtige zu tun.

Doch bis dahin war das gestern ein schlechter Tag für Deutschland und Europa.


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team