Ihr seid das Problem!

Wie die Ampelregierung gegen “Remigration” demonstriert und gleichzeitig Abschiebungen erleichtert.

Gegen “Remigration”, aber für mehr Abschiebungen?

Es war in der letzten Woche in allen Zeitungen, in jeder Nachrichtensendung, Thema beim Abendessen: ein paar Faschisten, unter anderem aus AfD und WerteUnion, fantasieren mit dem Rechtsextremisten Martin Sellner über “Remigration”, also die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland. Das Land ist entsetzt, Hunderttausende gehen auf die Straßen. Mit ihnen Bundeskanzler Scholz und weitere Regierungsmitglieder. Währenddessen verabschieden sie das sogenannte “Rückführungsverbesserungsgesetz”. Wie passt das zusammen?

Die Antwort ist leicht: gar nicht. Der Entwurf des Gesetzes mit dem sperrigen und zugleich ekligen Namen stammt von der Regierung selbst und wurde in der vergangenen Woche vom Bundestag verabschiedet. Damit sollen Abschiebungen nun konsequenter durchgeführt und noch stärker in Grundrechte der Betroffenen eingegriffen werden, beispielsweise durch tiefgreifende Durchsuchungen und längeres Abschiebegewahrsam.

Während die Fantasien von Faschist*innen nun völlig zurecht bundesweiten Widerstand und Entsetzen auslösen, wird das neue Gesetz der Regierung einfach hingenommen und nicht groß medial beachtet, als würde es sich dabei um etwas ganz anderes, viel weniger schockierendes handeln. Der Unterschied ist folgender: Sellner und seine Anhänger haben keine Regierungsgewalt, sie sitzen zusammen und erzählen sich von ihren Nazi-Ideen. Aber Scholz und die Regierungsparteien, die haben richtige Entscheidungsmacht und üben ihre Regierungsgewalt direkt aus.

Böse sind nur die Anderen

Und genau da beginnt die Heuchelei: Scholz und Baerbock besuchen eine Demo in Potsdam, um “die Demokratie zu verteidigen”, dabei sitzen sie an der Macht und könnten ihre Politik ganz genau darauf ausrichten. Sie entscheiden sich aber, es nicht zu tun. Stattdessen  führen sie ein Schauspiel auf, indem sie sich bürgernah präsentieren und gegen die bösen Abschiebepläne demonstrieren, während sie ihre eigenen gerade umsetzen.

Nein. Ihr seid das Problem. Ihr, die gegen Abschiebung demonstriert und sie in den Parlamenten beschließt.

Folglich ist die Demokratie, die wir gerade mit Hunderttausenden verteidigen, also eine Demokratie, die Menschen brutal aus ihrem Leben reißt und gegen ihren Willen in ein anderes Land bringt, die Familien trennt, Kinder traumatisiert und die “falschen” Geflüchteten in Lager sperrt. Eine Demokratie, deren Asylsystem auf Rassismus und Willkür beruht und in der die Regierung mal wieder so tut, als hätte sie mit dem Ganzen nichts zu tun.

Wir reden über das falsche Problem

An dieser Stelle sind nicht die abgedrehten Faschisten das Problem, von denen wissen wir ja, was für Ziele sie verfolgen. An dieser Stelle ist das Problem eine Regierung, die denkt, Abschiebungen sind schlimm, wenn man sie “Remigration” nennt, aber vertretbar, wenn man “Rückführung” sagt. Eine Regierung, die so tut, als hätte das Problem nichts mit ihnen zu tun, die Demos “für die Demokratie” besucht und gleichzeitig die eigene Verantwortung komplett leugnet.

Es ist auch absolut nicht verständlich, warum die Ampel jetzt der Art in Aufruhr gerät, denn an den Plänen der Faschos ist nichts neu, überraschend oder schockierend – es ist das, was sie immer sagen und das, wovor wir immer warnen. Was an dieser Stelle wirklich schockierend ist, dass sich führende Politiker*innen hier aus der Verantwortung ziehen wollen, das Problem sind ja schließlich die Nazis. 

Nein. Ihr seid das Problem. Ihr, die gegen Abschiebung demonstriert und sie in den Parlamenten beschließt.


Geschrieben von: Carla von Frieling

Carla von Frieling

Carla ist Aktivistin bei der Seebrücke und beschäftigt sich gerade mit Asyl- und Aufenthaltsrecht. Für REVOLTE schreibt sie über Seenotrettung, Bleiberecht und Rechtsradikalismus. Kontakt: @carla.vf auf Instagram