Warum Aiwanger nicht Minister bleiben darf

Hat Hubert Aiwanger ein antisemitisches Hetzblatt verfasst? Mitschüler*innen berichten von seiner rechtsradikalen Gesinnung. Die Entwicklungen des Tages kommentiert REVOLTE-Autor Jan Bühlbecker.

Markus Söder stand heute gleich auf mehreren Volksfesten.

Sein Stellvertreter, Hubert Aiwanger, stand hingegen in der Kritik.

Denn es war ein antisemitisches Flugblatt aufgetaucht, das vom stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten und Chef der Partei “Freie Wähler” verfasst worden sein soll. Und das Flugblatt (siehe Foto) hat es in sich: Gesucht wird der “größte Vaterlandsverräter”. Anwärter*innen um den “Titel” sollen sich “im Konzentrationslager Dachau” melden. Zu “gewinnen” gibt es unter anderem “einen Freiflug durch den Schornstein von Auschwitz” oder einen “Aufenthalt in Dachau”.

Der Bruder wars: Die krude Erklärung des Hubert Aiwanger

Fast einen Tag ließ Aiwanger die Anschuldigungen im Raum stehen, dann folgte eine Erklärung, die wie eine schlechte Ausrede klingt: Nicht er habe das Flugblatt verfasst, sondern sein Bruder, der – praktischerweise – keine politischen Ambitionen hat. Überprüfen lässt sich das nicht.

Außerdem sagt Aiwanger, dass er sich nicht sicher sei, ob er das Flugblatt nicht doch auch verteilt hätte. Ein Gutachter ist sich jedenfalls sicher, dass es mit seiner Schreibmaschine getippt wurde.

Klassenfoto, Hubert Aiwanger vorne mittig

Die Erklärung wirkt aber auch deswegen ziemlich konstruiert, weil in der Zwischenzeit weiteres belastendes Material aufgetaucht ist. Unter anderem ein altes Klassenfoto (hier links), das den jungen Aiwanger in einem eindeutig als rechtsradikal zu erkennenden Look zeigt.

Auch ehemalige Mitschüler*innen haben sich zu Wort gemeldet und berichtet, Hubert Aiwanger habe als Schüler damit geprahlt, Hitlers damals noch verbotene (!) Hetzschrift “Mein Kampf” gelesen und Nazi-Reden vor dem Kinderzimmerspiegel einstudiert zu haben.

Zu diesen Vorwürfen schweigt Aiwanger übrigens. Logisch, denn dass er der junge Mann auf dem Klassenfoto ist, der da als Himmler-Lookalike auftritt, kann er wohl kaum bestreiten…

Aiwanger-Ausfälle: Leider keine Seltenheit

Was auch gegen Aiwanger spricht: Es ist nicht sein erster Skandal. Im Gegenteil: Allein in den letzten fünf Jahren, in denen er immerhin zweiter Mann in der bayerischen Staatsregierung ist, kam es immer wieder zu krassen Ausfällen.

Beispiele gefällig? Bitteschön: Erst forderte er Massenbewaffnungen (“jeder anständige Bürger sollte ein Messer dabei haben”), dann verbreitete Lügen über die Erderhitzung (25 Quadratkilometer zusätzlicher Wald reichen, um den Klimawandel zu stoppen – richtig wären: 170.000 Quadratkilometer, 45% der Fläche Deutschlands) und zuletzt nahm er an einer Verschwörungstheoretiker*innendemo in Erding teil, die vor allem der Inszenierung der bayerischen AfD diente. Im Fernsehen schwafelte er zudem davon, dass Deutschland heute nur noch “formal” eine Demokratie sei und die “schweigende Mehrheit” sich “das Land zurückholen” müsse. Eine rechtsradikale Verschwörungstheorie.

Spätestens seit gestern Abend steht also fest: Es bestehen Zweifel an der demokratischen Gesinnung Hubert Aiwangers. Und das ist beispiellos. Und nicht hinzunehmen.

Ausräumen konnte Hubert Aiwanger die Zweifel heute nicht. Er hat sie sogar verschlimmert, in dem er erst alle öffentlichen Termine absagte und später bloß die Erklärung seines Bruders zum Flugblatt aber keine zum Klassenfoto und den Aussagen seiner ehemaligen Mitschüler*innen folgen ließ.

Hubert Aiwanger beschädigt unsere Demokratie

Und ein Minister, der es binnen eines Tages nicht schafft, glaubhaft zu machen, dass er geschichtsbewusst für die Demokratie und gegen jeden Menschenhass einsteht, darf einfach nicht im Amt bleiben.

Womit wir wieder bei Markus Söder wären.

Am Rande der Volksfeste äußerte der sich – auf Nachfrage – auch zur Causa Aiwanger, distanzierte sich vom Flugblatt und forderte umfassende Aufklärung. Doch die, das wissen wir jetzt, blieb aus.

Deswegen muss Söder JETZT reagieren. JETZT im Sinne von heute Abend, nicht im Sinne von nach der Landtagswahl. Denn jede Minute, die Hubert Aiwanger weiter im Amt bleibt, beschädigt die Glaubwürdigkeit unser Demokratie. Und sie relativiert rechtsradikale Ausfälle. Ich finde das unerträglich.

Im bayerischen Landtagswahlkampf plakatiert die CSU gerade Franz-Josef-Strauß-Zitate gegen Rechtsradikale. Wenn Hubert Aiwanger nicht sofort entlassen wird, ist kein Söder-Wort gegen rechts mehr glaubwürdig.


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team