In den letzten Tagen wird – zurecht! – viel über Antisemitismus in Deutschland geredet. Denn der gehört bekämpft. Doch wir reden nicht genug über weißen Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft. Ein Kommentar von REVOLTE-Autor Jan Bühlbecker.
Wir müssen über Antisemitismus reden.
Über Antisemitismus mitten in Deutschland.
Denn natürlich ist es unentschuldbar, wenn antisemitische Organisationen mit islamistischem Hintergrund mitten in Deutschland den Terror von Hamas und Hisbollah feiern. Aber die Anzahl der Angehörigen dieser Gruppe ist, verglichen mit der Gesamtzahl der Menschen, die in Deutschland antisemitische Weltbilder teilen, relativ gering.
Und so entschieden islamistischer Antisemitismus bekämpft werden muss, zum Beispiel mit einem Verbot von Samidoun oder dem Verein ‘Palästinensischen Gemeinde in Deutschland e. V.’, der laut Sicherheitsbehörden personell und ideologisch eng mit Hamas verbunden ist, so klar muss auch sein: Wer nur gegen Antisemitismus kämpft, wenn er diesen Kampf rassistisch begründen kann, der kämpft in Wahrheit gar nicht gegen Antisemitismus.
Nicht nur Nazis: Antisemitismus betrifft die Mitte der Gesellschaft
Reden wir also über Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft.
Alle zwei Jahre veröffentlicht die Friedrich-Ebert-Stiftung eine “Mitte-Studie”, mit der sie gesellschaftliche Verschiebungen dokumentiert. Dieses Jahr war es wieder soweit. Und die aktuelle Mitte-Studie hat es in sich: 8 % DER DEUTSCHEN TEILEN EIN RECHTSRADIKALES WELTBILD! 2021 waren es noch 2-3 % gewesen. Allein das zeigt, dass die größte Gefahr für Jüdinnen und Juden in Deutschland von rechts ausgeht!
Doch Antisemitismus macht am rechten Rand nicht halt. Bis zu 21% der Deutschen verhamlosen die Verbrechen im Nazi-Faschismus. Genauso viele teilen ein antisemitisches Weltbild.
Beispiele gefällig? Es wird grausam: Bis zu 25% der Deutschen stimmen der Aussage, dass man Hitler “ohne die Judenverfolgung als großen Staatsmann” ansehen würde, zu. Fast 22% der Befragten sind davon überzeugt, dass “die Verbrechen des Nationalsozialismus in der Geschichtsschreibung weit übertrieben” wurden. Und mehr als ein Viertel der Deutschen glaubt, dass der Nationalsozialismus “auch seine guten Seiten” hatte.
Zu unkonkret? Auch ganz eindeutigen Antisemitismus stimmen immer mehr Menschen hier zu: Zum Beispiel stimmen fast 12% zu, wenn es heißt: “Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß”. Fast ein Viertel der Bevölkerung sind überzeugt, dass Jüdinnen und Juden ”mehr als andere Menschen mit üblen Tricks arbeiten”. 20% glauben, dass Jüdinnen und Juden „einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich” hätten und deswegen “nicht so recht zu uns” passen würden.
UN-FASS-BAR!
Antisemitismus auch in der Politik auf dem Vormarsch
Und unentschuldbar.
Auch bei den letzten Wahlen haben OFFENSICHTLICHE Antisemit*innen hinzugewonnen. In Bayern zum Beispiel Hubert Aiwanger. Aber auch die AfD, dessen bekanntestes Gesicht, der Neonazi Björn Höcke, schon vor Jahren das Shoah-Mahnmal in Berlin als “Denkmal der Schande” verunglimpfte und deren Ehrenvorsitzender Alexander Gauland die Nazi-Verbrechen als “Vogelschiss” in der deutschen Geschichte betitelte.
Antisemitismus ist nicht nur fest verwurzelt in Deutschland, er nimmt sogar zu – und das in der Mitte unserer Gesellschaft! Denn all diese Werte sind im Vergleich zur letzten Mitte-Studie teils DRAMATISCH gestiegen.
Gemeinsam gegen jeden Antisemitismus
Und darüber ist zu reden. Denn Antisemitismus darf in Deutschland keinen Platz haben. Nirgendwo.
Aber gleichzeitig kommt es JEDEN TAG zu durchschnittlich sieben (7!) antisemitischen Vorfällen.
Doch wir treten unsere historische Verantwortung mit Füßen.
Un-ent-schuld-bar.
Antisemitismus gehört bekämpft. Das beginnt mit Aufklärung und Problembewusstsein. Rechtsradikale Strukturen müssen weiter zerschlagen werden. Islamistische ebenso. Aber auch parteipolitische. Und dann braucht es so viel Geld für politische Bildung wie möglich.
Aber vor allem sind wir Demokrat*innen in der Pflicht, uns jeden Tag gegen jeden Antisemitismus zu engagieren!
