Nach Landratswahl in Sonneberg: Diskutiert endlich ein AfD-Verbot!

Gestern ist es passiert: Erstmals in ihrer Geschichte hat die AfD die Wahl um ein kommunales Spitzenamt gewonnen. Die Partei feiert es als Meilenstein. Der muss es auch für überzeugte Demokrat*innen sein. Ein Kommentar von REVOLTE-Autor Jan Bühlbecker.

Gestern war ein schlechter Tag. Es ist ein Gefühl irgendwo zwischen Trauer, Fassungslosigkeit und Wut, das bei mir einsetzte, als ich die Auszählung der Stichwahl zur Landratswahl in Sonneberg auf meinem Handy verfolgte.

Fast 53% der Wähler*innen stimmten für den Kandidaten der AfD – einen engen Vertrauten des Faschisten Björn Höcke, der sich permanent rassistisch, antisemitisch, ableistisch, queerfeindlich – kurz: volksverhetzend – äußert. Nur 47% haben dem CDU-Kandidaten ihre Stimme gegeben. Klar ist: Nicht nur Jürgen Köpper, der CDU-Kandidat, hat gestern verloren, sondern unsere gesamte Gesellschaft.

Zu wenig Bewusstsein für die Gefahr

Eine Ohrfeige gab es aber auch für unsere Demokratie: Nachdem beim ersten Wahlgang vor zwei Wochen NOCH NICHT EINMAL jede*r zweite*r Sonneberger*in die Stimme abgab, lag die Wahlbeteiligung in der Stichwahl gestern auch nur bei rund 55%. Stell Dir vor, Du hast die Wahl zwischen Demokratie und Faschismus – Und fast jede*r zweite*r bleibt zuhause…

In den sozialen Medien und manchen Zeitungskommentaren ist heute viel “Ossi-Bashing” zu lesen. Das aber greift als Wahlanalyse viel zu kurz. Die AfD ist kein rein ostdeutsches Phänomen, auch zum Beispiel im Ruhrgebiet – wo ich herkomme – gibt es Stadtteile, in denen die AfD Ergebnisse von über 20% einfährt. In bundesweiten Wahlumfragen steht die Partei gerade irgendwo zwischen 15 und 20 %. Genauso wenig greift das Klischee der immerzu wirtschaftlich-schwachen AfD-Wähler*innen, es ist oft nur Armenhass. Denn Studien zeigen: Rechtsradikalismus ist in allen Gesellschaftsschichten fest verankert. Die AfD ist eine reelle Gefahr für uns alle!

Übrigens: Bitte redet nicht von “dummen” AfD-Wähler*innen. Denn die Verwendung des Wortes dumm als Beleidigung ist ableistisch. Und es verharmlost das Problem: Denn heute, 2023, nach über fünf Jahren AfD im Bundestag wählt auch niemand man mehr “aus Versehen” faschistisch. Leute, die ihr Kreuz bei blaubraun machen, wissen, was sie tun!

Und trotzdem war der Tag gestern kein Tag wie jeder andere. Klar, Landrat von Sonneberg, einem Landkreis mit rund 60.000 Einwohner*innen, klingt erstmal harmlos, aber trotzdem ist es ihr Wahlsieg keineswegs. Vor allem aus zwei Gründen: 

Zum einen regional: Ein Landrat hat Personal- und Budgetverantwortung, sein Landratsamt ist aber auch zuständig für Organisation und Durchführung von Wahlen. Viel Gestaltungsmacht und noch mehr Verantwortung. In einer Amtszeit kann ein Landrat seinen Landkreis nachhaltig prägen – auch zum schlechten.

Zum anderen politisch: Die Wahl hat Symbolkraft. Mit dem Wahlsieg und der Übernahme ihres ersten kommunalen Spitzenpostens dürfte die AfD weiter versuchen, sich in der Wahrnehmung möglichst vieler Menschen zu normalisieren. Gerade wenn in Sonneberg jetzt “nichts krasses” passiert.

Und: Natürlich nutzt die AfD diesen Wahlsieg für ihre Kampagne, wird versuchen, aufzuzeigen, dass sie Wahlen tatsächlich gewinnen kann und Effekte, dass sich, spätestens in der Stichwahl, alle Demokrat*innen gegen sie vereinigen, aufzubrechen sind. Zur Erinnerung: Bei der letzten Landtagswahl in Thüringen holte Die Linke um Bodo Ramelow auch deswegen so viele Stimmen mehr, weil viele Menschen verhindern wollten, dass die AfD stärkste Kraft wird. Gerade bei den im nächsten Jahr anstehenden Landtagswahlen bietet das Sprengstoff.

Warum es GENAU JETZT ein AfD-Verbot braucht

Der Tag gestern war darum ein Meilenstein. Für die AfD – aber auch für alle Demokrat*innen, also für die überwältigende Mehrheit der Menschen in unserer Gesellschaft!

Gerade für uns ist es HÖCHSTE ZEIT an das letzte NPD-Verbotsverfahren zurückzudenken. Die NPD wurde damals, 2017, zwar nicht verboten, aber nicht, weil das Bundesverfassungsgericht ihr nicht bescheinigte, systematisch verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen, sondern ausschließlich, weil das Gericht urteilte, dass die NPD politisch VIEL ZU IRRELEVANT sei, um ihre Ziele tatsächlich umzusetzen. Erlaubt weil egal.

Und eben das gilt bei der AfD nicht mehr. Spätestens seit gestern. Aber eigentlich auch schon vorher. Heißt: Wenn die AfD eine verfassungsfeindliche Partei ist, könnte sie verboten werden.

Und die AfD ist eine verfassungsfeindliche Partei. Auch das kann man auf dem Handy einfach googeln: Ihre Bundestagsabgeordnete bezeichnen sich selbst als “freundliches Gesicht des NS”, in internen Chats sprechen sie darüber, sich für eine finale Schlacht um Deutschland “zu bewaffnen”, ihr Ehrenvorsitzender nannte die Nazi-Dikatur “einen Vogelschiss” in der deutschen Geschichte, ihre Spitzenfunktionär*innen verwenden REGELMÄßIG NS-Vokabular und das sind nur einige, besonders krasse Beispiele. Von so ziemlich allen AfD-Politiker*innen findet man entweder rassistische, ableistische oder queerfeindliche Äußerungen – und Wortmeldungen, die die volksverhetzenden Botschaften anderer AfD-Mitglieder relativieren. Die AfD war in den Mord an Walter Lübcke verwickelt, hat das Denken des Halle-Attentäters geprägt und – ach ja! – eine Ex-AfD-Abgeordnete, die IMMER NOCH Mitglied der Partei ist, sitzt aktuell in Untersuchungshaft, weil sie mit einer riesigen bewaffneten Reichsbürger-Zelle einen Staatsstreich geplant haben soll.

Es ist darum Zeit für ein AfD-Verbotsverfahren. Und zwar nicht, weil der Kampf gegen die AfD und um die Menschen, die AfD wählen oder eher um die Menschen, die sich vorstellen können, AfD zu wählen, nicht auch anders gewonnen werden kann. Ein Stück weit, weil es die vielen Menschen – siehe Sonneberg – die IMMER NOCH nicht für die Bedrohung die von der AfD ausgeht sensibilisiert sind, zu erreichen. Aber vor allem aus einem ganz grundsätzlichen Grund: Eine Demokratie muss wehrhaft ein. Und dazu gehört, dass eine Demokratie alle demokratischen, also auch alle rechtsstaatlichen Mittel nutzt, um ihre Feinde zu besiegen. Die AfD ist ein Feind unserer Demokratie. Und ein Parteienverbot ist ein rechtsstaatliches Mittel. Darum: AfD-Verbot jetzt!

PS: Ein AfD-Verbot löst das Problem, dass rechtsradikales Gedankengut in unserer Gesellschaft strukturell verankert ist, natürlich nicht. Aber es ist auch an überzeugte Rechte ein eindeutiges Signal. Diese Signal muss mit starken Demokratieförder- und Bildungsprogrammen unterlegt werden muss. Aber auch an die verbliebenen Protestwähler*innen, auch wenn ich diesen Begriff extrem verhamlosend finde, weil AfD wählen keine legitime Protestform ist, sendet es ein klares, nämlich eben dieses Signal. Und auch das muss dann politisch unterfüttert werden: Schluss mit absurden Kulturkämpfen und organisiertem Rechtsruck, Zeit für empowernde, leidenschaftliche Sozialpolitik!


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team