Rote Regierungs-Rangeleien – Will Giffey ihre Macht verspielen?

"Regierungsrangelei" Im Hintergrund sieht man ein Bild von Franziska Giffey

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD in Berlin steht, doch die Parteibasis kocht vor Wut. Besonders die Jusos sind enttäuscht. Was hat Franziska Giffey vor?

Chaos in der Hauptstadt

Große Koalitionen haben in der SPD einen schweren Stand. Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde die Partei zermürbt, die Anhängerschaft gespalten. Spätestens die letzte Groko im Bund hat der Partei geschadet.  

Franziska Giffey hatte einen denkbar schweren Start als Regierende Bürgermeisterin. Nachdem sie das Amt von ihrem Vorgänger Michael Müller (SPD) übernommen hatte, folgte einige Monate später das Urteil des Landesverfassungsgerichts: Die Abgeordnetenhauswahl muss wiederholt werden. Wenig Zeit und leere Parteikassen waren sämtlichen Parteien ein Dorn im Auge. 

Geprägt waren beide Wahlkämpfe sowohl 2021 als auch 2023 von Dingen, die in Berlin nicht funktionieren. Wohnen und die Verwaltungsreform sind nur die Spitze des Eisbergs. Giffey muss ihren Kopf für die Versäumnisse der letzten Jahre hinhalten, dabei ist sie erst seit anderthalb Jahren Regierende Bürgermeisterin. Eine kurze, vielleicht zu kurze Zeit, um den Wähler*innen große Erfolge zu präsentieren. 

Franziska, die loyale Parteisoldatin?

Warum will Franziska Giffey mit der CDU koalieren? Sie weiß von der innerparteilichen Antipathie gegenüber den Christdemokraten. Seit der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl ist die SPD nicht mehr stärkste Kraft in der Hauptstadt. Dennoch: Eine Mehrheit für die bisherige Rot-Grün-Rote-Koalition hat weiter eine Mehrheit und regiert auch, bis etwas Neues kommt, weiter. Durch den minimalen Vorsprung vor den Grünen könnte Franziska Giffey im Amt bleiben. Das Regierungen ohne die stärkste Partei gebildet werden, ist, zumindest auf Landesebene, kein Einzelfall. Ähnlich sah es 2001 bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft aus, allerdings war damals die SPD mit über 10% Vorsprung stärkste Kraft. Erster Bürgermeister wurde trotzdem CDU-Mann Ole von Beust. 

Jetzt will Giffey ihre Macht abgeben. Medienberichten zufolge soll die 44-jährige Bausenatorin werden. Sie helfe da, wo es am nötigsten ist, eine Frau mit dem Herz am rechten Fleck, die das Wohl Berlins vor das eigene Machtinteresse stellt, so zumindest die Kommunikation des Parteivorstands. Auch innerparteilich kann ihr das in die Karten spielen. Franzi, die loyale Parteisoldatin. Das ist die eine Sichtweise. Die andere wäre: Giffey hat besonders Angst um ihre Macht. Sie tritt kürzer, weil sie sich so eine größere Chance ausrechnet, bei der nächsten Wahl wieder als Chefin im Roten Rathaus zu sitzen. 

Rote Zankereien

Die ehemalige Familienministerin glaubt mit der CDU an eine bessere Bilanz als mit Rot-Grün-Rot. Zu verkeilt ist das Verhältnis zu noch-Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne), zu misstrauisch das Verhältnis zur gesamten Linkspartei. Die Spielführerin traut ihrer Mannschaft nicht. Besonders die Linke ist für Giffey ein Problem. Sie steht innenpolitisch für Law-and-Order, ebenso ihr Nachfolger als Bezirksbürgermeister von Neukölln Martin Hikel (SPD). Immer wieder ließ er sich in der Vergangenheit von Pressevertreter*innen begleiten, als er Razzien bei sogenannten „Großfamilien-Clans“ besucht hat. Ausgebremst wurde Hikel aber von der Chefin des Neuköllner Ordnungsamtes Sarah Nagel (Die Linke). Die Politikerin kritisierte Einsätze in Shisha-Bars und Spätis als „stigmatisierend“. Nagel verbot ihren Mitarbeiter*innen die Teilnahme an solchen Razzien. Law-and-Order ist mit der Linkspartei nicht zu machen, mit der Union schon. Das wird bei Giffeys Koalitionswunsch eine wichtige Rolle gespielt haben.

Hintertür Innenministerium

Es gibt auch noch einen anderen Ausweg für die 44-Jährige. Ihre Parteifreundin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser tritt zusätzlich als Spitzenkandidatin für die kommende Landtagswahl in Hessen an. Faeser möchte zwar im Falle einer Wahlniederlage ihr Amt als Bundesministerin behalten, es ist jedoch fraglich, ob die SPD-Politikerin der Doppelbelastung und dem öffentlichen bzw. innerparteilichen Druck standhält. Für Giffey ist das ein Ausweg. Olaf Scholz versprach, die Hälfte seines Kabinetts mit Frauen zu besetzen, ersetzte die zurückgetretene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) aber durch Boris Pistorius (SPD). Eine weitere Frau durch einen Mann zu ersetzen, kann sich der Kanzler nicht leisten. Franziska Giffey würde in diesem Falle weit oben auf der Liste der potenziellen Kandidatinnen stehen. Auch Lambrecht wurden zu Amtszeiten Ambitionen auf das Innenministerium nachgesagt. Es bleibt aber zu bezweifeln, ob die Partei sie nach ihrer eher peinlichen Bilanz in den letzten Monaten in eines der wichtigsten Staatsämter heben will. 

Gewagtes Unterfangen

Giffeys Plan ist gut durchdacht und strategisch klug. Das Risiko des Scheiterns ist aber ebenso hoch. Die letzte Groko-Bundesregierung hat die Partei gespalten. Damals wie heute gibt es großes Misstrauen einiger Sozialdemokrat*innen gegenüber der Union. Hinzu kommen große, einflussreiche Kampagnen gegen die Pläne der Hauptstadt-SPD. Der Landesvorstand kann nicht allein über eine Regierungsbeteiligung bestimmen. Darüber muss in einem Mitgliedervotum abgestimmt werden. Ob das angenommen wird, ist fraglich. Noch bis heute Abend (21. April) 23:59 kann abgestimmt werden.

Egal ob Franziska Giffeys Plan aufgeht oder nicht, die Landespartei steht in einer ähnlichen Lage wie die gesamte SPD zur Zeit der Großen Koalition. Die Basis ist gespalten, viele Gegner*innen vertreten lautstark ihre Ansicht, es ist aber auch davon auszugehen, dass einige einen schwarz-roten Senat befürworten. Die Post-Nahles Zeit war für die Sozialdemokrat*innen schockierend und zerstörerisch zugleich. Die Wiederholung dieses Traumas gilt es zu verhindern. In jedem Fall braucht es für alle Szenarien einen Plan, wie es weitergeht. 


Geschrieben von: Julius Obhues

Julius Obhues