Die 10 schrägsten Aussagen von Arbeitgeber*innen zum Streik

wie Bitte die 10 schrägsten Aussagen von Arbeitgeber*innen zum Streik

Getroffene Hunde bellen bekanntlich. Besonders nach dem Mega-Streik der Gewerkschaften ver.di und EVG im Verkehrssektor war das Geheule dementsprechend groß: In sämtlichen großen Tageszeitungen, aber auch in den Politik-Talkshows ließen sich Arbeitgeber*innen zum Streik unter großem Schluchzen über das enorme Unrecht aus, das man ihnen angetan habe. Das Wehklagen über die Beschäftigten, die wohlgemerkt nur wollen, dass man ihren Reallohnverlust ausgleicht, war nicht zu überhören. 

Einige Aussagen der Konzern-Fuzzis waren dabei so absurd, dass wir sie unseren Leser*innen nicht vorenthalten wollten. Es folgen die zehn schrägsten Aussagen der Arbeitgeber*innenseite zu den aktuellen Tarifverhandlungen:

Von Geiselhaft und Motivationsmangel

 11.04.2019 Benjamin Zibner / Hubert Burda Media

Markus Jerger, Chef des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW): “Unternehmen und Bevölkerung dürfen nicht in Geiselhaft genommen werden für Forderungen, die in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht zielführend sind.”

Markus Jerger: “Erzwungene hohe Lohnabschlüsse, die die Unternehmen an den Rand der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit bringen, rauben jede Motivation, sich zusätzliche Kosten für die eigene Transformation aufzubürden.” 

Das letzte Mal, dass irgendjemand Arbeitgeber*innen entführte, war 1977. Dass Jerger nun von Geiselhaft spricht, verharmlost diese realen Ereignisse. Doch seine Aussage ist nicht nur pietätlos, sondern auch ökonomischer Mumpitz. Was in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation tatsächlich nicht zielführend ist: Dass die Kaufkraft der Arbeiter*innen durch die Inflation immer weiter sinkt und diese sich ihr Alltagsleben nicht mehr leisten können. Ist Konsum aber nicht das, was diese Wirtschaft zum Funktionieren braucht?

Über die wirtschaftliche Existenz der Unternehmen oder notwendige Investitionen in die Transformation sorgt sich witzigerweise nie jemand, wenn Vorstandschefs jährlich fast siebenstellige Beträge einstreichen oder trotz Inflation Aktionär*innen immer höhere Beträge erhalten. Lediglich, wenn Arbeiter*innen, die diese Gewinne überhaupt erst erwirtschaften, fair zu entschädigen sind, ruft man plötzlich zu Maß und Mitte. Entlarvend.

Schreckensszenarien im In- und Ausland

Steffen Kampeter (CDU), Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: “Ein Blick nach Frankreich zeigt, wohin es führt, wenn man sich auf die schiefe Ebene begibt.”

Ein Blick nach Frankreich zeigt, wohin es führt, wenn entpolitisierte Yuppies zu viel zu sagen haben. Dass Emmanuel Macron in Frankreich das reguläre Renteneintrittsalter weiter erhöhen will, obwohl in Realität die Französ*innen bereits genauso lang arbeiten wie etwa die Deutschen, zeugt davon, wie wenig der Ärztesohn Macron von harter Arbeit versteht. Frankreich sollte den deutschen Arbeitgeber*innen wirklich zu denken geben. Man kann Arbeiter*innen eben doch nicht bis aufs letzte Hemd ausnehmen. In diesem Sinne ist es vielleicht doch begrüßenswert, wenn Herr Kampeter sich damit beschäftigt.

Michael Hoppe, Chef-Lobbyist für Fluggesellschaften (BARIG): “Die unverhältnismäßig massiv eingeschränkte Mobilität erschwert die nationalen wie auch internationalen Verkehrsströme, den Warentransport, gegebenenfalls wichtige humanitäre Hilfslieferungen und das gesellschaftliche Zusammenleben allgemein.”

Mimimi. Herr Hoppes Ton ist ebenso weinerlich wie naiv. Jede*r Arbeitende weiß: Ein Streik muss wehtun, sonst ist es kein Streik. Der Streik zielt darauf ab, dem Arbeitgeber (einen kleinen) wirtschaftlichen Schaden durch Lohneinbußen hinzuzufügen. Allerdings sorgen Streikende in den allermeisten Fällen für eine Notbetreuung. Unsere Redaktion konnte nicht einen einzigen Fall finden, indem durch den Streik am Montag “wichtige humanitäre Hilfsgüter” irgendwo gefehlt hätten oder es sonst zu irgendwelchen Schreckensszenarien gekommen wäre. Es gab nicht mal nennenswert viele Staus.

Die Instrumentalisierung von Arbeiter*innen gegen Arbeiter*innen

Der Kommunale Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV) hält die Warnstreiks im öffentlichen Dienst für “völlig überzogen” und meint, dass sie unbeteiligte Dritte träfen.

Tatsächlich treffen Warnstreiks Dritte, aber in einem anderen Sinne, als der KAV vermutlich meint. Denn durch Streiks können sich Arbeitende bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen, die am Ende auch uns Kund*innen zugutekommen. Beispielsweise argumentierte ein Streikender, dass so nicht nur für die Gesundheit der Angestellten, sondern letztendlich auch für die Sicherheit der Reisenden gesorgt werden könnte.   

An dieser Stelle möchten wir auch gerne die derzeit streikenden Pflegekräfte der städtischen Krankenhäuser zitieren: Nicht der Streik gefährdet die Patient*innen. Sondern der Normalzustand gefährdet die Patient*innen.

Sei es als Pflegebedürftige, Fahrgäste oder Schutzbefohlene, wir alle nutzen den öffentlichen Dienst und des Bahn- und Busnetz. Wollen wir nicht, dass unsere Züge pünktlich sind, die Kinder gut betreut und die Kranken ordentlich gepflegt? Dann müssen in diesen Bereichen auch Fachkräfte arbeiten. Und wenn dort Fachkräfte arbeiten sollen, dann muss es anständige Löhne geben.

CDU-Frauen und Arbeitgeber*innen zum Streik: nichts als Fake News

Familienunternehmerin Marie-Christine Ostermann hält die Vorgänge für “völlig unverhältnismäßig”, weil die Verhandlungen im öffentlichen Dienst gerade erst begonnen hätten. Ver.di habe “die Megakeule rausgeholt mit so krassen Einschränkungen für die Wirtschaft.” Zudem sagte sie bei (“Hart aber Fair”), dass die Gewerkschaft in ihrer Branche 13 Prozent fordere.

Frau Ostermann scheint es nicht so mit den Fakten zu haben. In ihrem Unternehmensbereich fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten lediglich 10 bis 12 Prozent. Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst haben zudem nicht gerade erst angefangen, sondern laufen bereits in der dritten Runde. Bahnfahrerin und Betriebsrätin Julia Riemer stellte dies in derselben Sendung noch richtig. Wir hoffen, dass Frau Ostermann mit ihren Beschäftigten respektvoller umgeht als mit dem Publikum von “Hart aber Fair”. Denn dieses wollte sie hier offensichtlich auf die Schippe nehmen.

Gitta Connemann, CDU-Bundestagsabgeordnete, wirbt für eine Verschärfung des Streikrechts bei “Hart aber Fair”: “Es geht darum, bei kritischer Infrastruktur die Ankündigungspflicht eines Streiks gesetzlich festzulegen. Es geht um die Sicherstellung eines Notdienstes und um die Vorschaltung eines verbindlichen Schlichtungsverfahrens. Der Streik muss das letzte Mittel sein.”

Connemann erzählt den Zuschauer*innen hier etwas vom Pferd. Selbstverständlich leisten die Beschäftigten Notdienst. Diese können zwischen Arbeitgeber*in und Gewerkschaft vorvereinbart werden. Aber selbst in solchen Fällen, in denen eine Seite unverantwortlich Gitta Connemann, CDU-Bundestagsabgeordnete, wirbt für eine Verschärfung des Streikrechts bei “Hart aber Fair”: “Es geht darum, bei kritischer Infrastruktur die Ankündigungspflicht eines Streiks gesetzlich festzulegen. Es geht um die Sicherstellung eines Notdienstes und um die Vorschaltung eines verbindlichen Schlichtungsverfahrens. Der Streik muss das letzte Mittel sein.” handelt, sorgen die Streikenden selbstverständlich dafür, dass jeder Notfall behandelt wird. Der Vorschlag eines Schlichtungsverfahrens ist ebenso an der Realität vorbei. Die beiden Seiten verhandeln als autonome Tarifpartner*innen. Eine Einmischung der Politik ist weder gewünscht noch erstrebenswert, wenn man sich anschaut, was die CDU-Politiker*in hier beizutragen hatte. 


Geschrieben von: Isabelle Emig

Isabelle Emig

Isabelle ist Teil der REVOLTE und kümmert sich eigentlich um Orga und verschiedenes hinter den Kulissen. Manchmal schreibt sie auch. Beschwerden über das Geschriebene bitte über Twitter einreichen @isa_emig.