Konservative Ausfälle: JETZT FORDERN SIE ZWANGSARBEIT

Seit diesem Jahr gilt das Bürgergeld, Hartz IV ist Geschichte. Das gefällt nicht allen. Konservative fordern einen Arbeitszwang. Eine Kolumne von Jan Bühlbecker.

Jan Fleischhauer, rechter Kolumnist des FOCUS, steht am Flughafen. Vermutlichlangweilte er sich an der Gepäckaufgabe. 

Warteschlange. 

Doch statt die Zeit mit Candy Crush oder einem Telefonat mit seinen Liebsten zu überbrücken, schimpfte Fleischhauer im Internet. So wie Fleischhauer immer im Internet schimpft, wenn ihm mal wieder einer seiner selbstgerechten Gedanken kommt.

Konservativer Kulturkampf: Zwangsarbeit gegens Grundgesetz

Jan Fleischhauer ist genervt, weil es – nach seiner Rechnung – in Deutschland 1,7 Millionen Menschen “im erwerbsfähigen Alter” gibt, die Bürgergeld beziehen. Bis vor ein paar Monaten also noch von Hartz IV gelebt hätten.

Seine Forderung: Die Leute sollen ans Paketband, schnell und zwangsweise. Weil Jan Fleischhauer keine Lust hat, Candy Crush zu spielen.

Mit dieser Forderung steht der Autor nicht alleine da. Auch die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann (CDU), Friedrich Merz’ ehemalige Wahlkampfleiterin im Rennen um den Parteivorsitz, will das Bürgergeld schon wieder abschaffen. Und durch Zwangsarbeit für Erwerbslose ersetzen:

Und auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fordert eine “Jobpflicht für Arbeitslose”.

Doch in Deutschland gibt es keine Zwangsarbeit. Das Grundgesetz verbietet sie

Wird das jetzt der nächste CDU-Angriff auf unsere Verfassung?

Ein Vorschlag fernab der gesellschaftlichen Realität

So oder so ist die Forderung eine Unverschämtheit. Aus drei Gründen:

  1. der Bezug vom Bürgergeld führt ganz sicher nicht zu einem Luxusleben auf Kosten der Allgemeinheit. In diesem Jahr liegt der Regelsatz bei monatlich 502€, hinzu kommen Unterbringungskosten. Und: Bürgergeld-Empfänger*innen MÜSSEN sich auch weiter um Erwerbsarbeit bemühen. Nehmen sie entsprechende Termine beim Jobcenter nicht war, drohen Sanktionen.
  1. Nicht alle Menschen im erwerbsfähigen Alter können auch einer Erwerbsarbeit nachgehen. Ohne funktionierende Ganztagsangebote haben es zum Beispiel Alleinerziehende sehr schwer. Auch für Menschen mit Be_hinderung und Neurodivergenzen gibt es viele Hürden. Einige, die länger erwerbslos sind, brauchen zudem neue Qualifizierungen und Hilfe bei der Wiedereingliederung. Das war ja auch DER Grund fürs Bürgergeld: Weiterbildung und Hilfe und damit die langfristige Reintegration in den Arbeitsmarkt stehen nun im Fokus, ein echter Bruch mit dem System Hartz IV.
  1. Einige Jobs, sind, sorry, Herr Fleischhauer, gerade einfach nicht attraktiv genug. Da liegt es dann an den Unternehmen, zum Beispiel durch gute Tarifabschlüsse mit den Gewerkschaften, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Hinzu kommt: Es fehlen nicht unbedingt da Arbeitnehmer*innen, wo Erwerbslose wohnen. Und nicht für jeden Job kann man von Beschäftigten auch einen Umzug erwarten.

Wer diese drei Punkte ignoriert, schadet allen Arbeitnehmer*innen in Deutschland! 

Achtung, Angriff: Wie Konservative uns spalten wollen

Denn werden Erwerbslose gezwungen, JEDEN JOB zu ALLEN BEDINGUNGEN und an BELIEBIGEN ORTEN anzunehmen, verwässert das den Kampf um gute Arbeit. Die Verhandlungsposition der jetzigen Beschäftigten würde zerstört, einen Inflationsausgleich könnten sie dann zum Beispiel kaum noch durchsetzen.

Ob es Zufall ist, dass ausgerechnet die Arbeitgeber-nahe Mittelstands- und Wirtschaftsunion darum GENAU DAS fordert?

Nein. Beschäftigte und Erwerbslose dürfen sich darum nicht spalten lassen. Denn sie haben die selben Interessen.

Und zu denen gehört auch, den Arbeitsbegriff neu zu definieren. Beispiel Alleinerziehende: Auch Care-Arbeit ist Arbeit und gehört finanziell und mit Rentenpunkten anerkannt. Genauso wie die ehrenamtliche Mitarbeit in Vereinen und gemeinnützigen Organisationen.

Eine Möglichkeit, das umzusetzen, wäre ein solidarisches Grundeinkommen einzuführen. Wie das gelingen könnte, habe ich hier schon einmal aufgeschrieben.


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team