Statt Fluchtursachen oder Probleme bei der Integration zu bekämpfen, bekämpft die MPK Geflüchtete

REVOLTE-Autor Jan Bühlbecker wird von der MPK um den Schlaf gebracht. Warum die Beschlüsse destruktiv sind und was es stattdessen in der Migrationspolitik braucht, kommentiert er hier.

Manchmal geht man mit einem mulmigen Gefühl ins Bett, schläft unruhig und wenn man aufwacht, IST ES NOCH SCHLIMMER.

Zum Beispiel, wenn MPK war – Ministerpräsident*innenkonferenz. Und die deutschen Landeschef*innen mit dem Bundeskanzler und seiner Regierung den ganzen Abend (und bis spät in die Nacht) über Migrationspolitik gesprochen haben.

Die MPK-Beschlüsse sind furchtbar: Sie widersprechen dem europäischen Gedanken, dem Verfassungsauftrag zum Asylrecht und dem Koalitionsvertrag der Ampel.

Um es klar zu sagen: Die Beschlüsse werden unsere Kommunen nicht nachhaltig entlasten, aber sie zeigen uns alle mit einem ganz hässlichen Gesicht. Und sie lassen viele Menschen bitterlich im Stich.

Gehen wir sie einmal nacheinander durch.

Reden über Geld statt über Menschen

Der größte Streitpunkt in den Verhandlungen war das Geld. Die Länder und Kommunen hatten eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten verlangt und zusätzlich zu den für 2024 bereits zugesagten 1,25 Milliarden Euro noch eine jährliche Pro-Kopf-Pauschale von 10 500 Euro gefordert. Man einigte sich auf 7500 Euro. Dieses “atmende System” bedeutet für die Länder nach Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): “Mit steigenden Zahlen gibt’s mehr Geld, mit sinkenden weniger.”

Soweit, so gut.

Doch dabei blieb es nicht. Denn die MPK einigte sich auch darauf, die Leistungen für Asylbewerber*innen dramatisch zu kürzen: Schutzsuchende sollen künftig nicht mehr nach 18, sondern erst nach 36 Monaten sogenannte Analogleistungen erhalten, die in der Höhe dem Bürgergeld entsprechen. Vorher bekommen sie oft Sachleistungen. Das ist unwürdig. Um es klar zu sagen: Das Asylbewerberleistungsgesetz gehört ganz abgeschafft – und keinesfalls ausgeweitet!

By the way: Zu den Verschärfungen gehört auch, dass Asylbewerber*innen DREI JAHRE LANG nicht Teil der gesetzlichen Krankenversicherung sind, also SCHLECHTER medizinisch versorgt werden. Von wegen neue Zähne, Herr Merz!

Zudem sollen Flüchtlinge in Asylunterkünften weniger erhalten. Außerdem sollen Asylbewerber*innen zukünftig weder Bargeld noch Überweisungen bekommen, sie sollen nur noch mit einer eigens für sie aufgelegten Bezahlkarte zahlen können. Das schränkt ihre Freiheit und Selbstbestimmtheit heftig ein. So heftig, dass das Bundesverfassungsgericht bei ähnliche politische Entscheidungen schon gerügt hat. Auch entsteht ein absurder Verwaltungsaufwand, der die Kommunen wieder unsinnig viel Geld kostet.

Vor allem aber beruht diese Entscheidung auf der FALSCHEN Annahme, dass Menschen wegen Sozialleistungen, also vermeintlicher “Pushfaktoren” nach Deutschland fliehen. Das diese Annahme falsch ist, sage übrigens nicht ich, das zeigt die aktuelle Forschung zu diesem Thema.

Denn die Wahrheit ist: Pull-Faktoren gibt es nicht! Das ist wissenschaftlicher Konsens.

Und die Wissenschaftler*innen können das auch erklären. Zum Beispiel Marcus Engler. Er ist Migrationsforscher am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung in Berlin (DeZIM). Und sagt: “Die Annahme, dass Menschen dahin gingen, wo es die höchsten Sozialleistungen gebe, könnten Studien nicht bestätigen.

Und weiter: “Die Situation von Flucht ist häufig gekennzeichnet von sehr kurzfristigen Entscheidungen und auch von sehr eingeschränkten Möglichkeiten, überhaupt irgendwohin zu kommen.” Von wegen Wahlfreiheit – die Ausweglosigkeit bestimmt über die Flucht.

Ausgesperrt und eingesperrt – GLEICHZEITIG!

Außerdem sollen die Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz, die eigentlich Mitte November auslaufen sollten, nun doch beibehalten werden.

Grenzkontrollen TROTZ Schengen-Raum. Das ist ein massiver Belastungstest für die europäische Freizügigkeit. Mit unkalkulierbaren Risiko für deren Stabilität. Und das im Jahr vor der Europawahl: VERANTWORTUNGSLOS!

Apropos: Die Ministerpräsident*innen setzten sich wohl in der Frage von Asylverfahren außerhalb der EU durch. Künftig soll der Schutzstatus von Geflüchtet auch in Transit- und Drittstaaten geprüft werden können.

Der Haken: Das Grundgesetz gibt dem Asylrecht Verfassungsrang, als Lehre aus der dunklen deutschen Geschichte. Und die individuelle Einzelfallprüfung kann man dann nicht einfach outssourcen!

Hinzu kommt: Entsprechende Schnellverfahren, wie es sie zukünftig im Ausland geben soll, gibt es in Deutschland schon, nämlich in Form des Flughafenasyls. Dieses endet aber viel häufiger als das herkömmliche Verfahren mit einer Ablehnung des Asylantrags. Das Schnellverfahren an den Außengrenzen könnte dann, ähnlich wie an einem deutschen Flughafen, in einem Transitzentrum unter “haft-ähnlichen Bedingungen” mit einer Dauer von bis zu 3 Monaten stattfinden.

Haft, obwohl man unschuldig ist? Das missachtet den Rechtsstaat!

So KÖNNEN die Eltern des Grundgesetzes ihren Auftrag an uns NICHT GEMEINT haben.

Bürokratie statt Integration

Generell wollen Bund und Länder bei Asylverfahren schneller werden: Kommen Geflüchtete aus Staaten mit einer niedrigen Anerkennungsquote von unter fünf Prozent, strebt die Runde an, Asyl- und anschließende Gerichtsverfahren innerhalb von jeweils drei Monaten abzuschließen.

Kommen die Menschen aus anderen Staaten, soll es nicht länger als je sechs Monate dauern. Das wäre um einiges schneller als bislang. In manchen Bundesländern liegt die tatsächliche Verfahrensdauer derzeit bei etwa drei Jahren.

Und klar: Von schnellen Verfahren profitieren alle. Nicht zuletzt die Asylbewerber*innen.

Doch schnelle Verfahren erreicht man mit ausreichend Personal, nicht in dem man Verfahren von Geflüchteten aus Ländern mit niedriger Anerkennungsquote besonders kritisch prüft. Denn egal woher ein Mensch kommt: Er hat das Recht auf eine unvoreingenommene, individuelle Prüfung seines Asylantrages!

Der Familiennachzug soll nach MPK-Beschluss nun übrigens doch nicht ausgeweitet werden, obwohl SPD, Grüne und FDP das in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hatten.

Das ist ein Wortbruch!

Der schadet der Integration hier lebender Geflüchteter und zwingt deren Angehörige auf lebensgefährliche Fluchtwege. DAS IST DAS GEGENTEIL VON HUMANITÄT!

Diese Beschlüsse helfen niemanden!

Immerhin: Schutzsuchende sollen schneller arbeiten dürfen.

Und trotzdem: Problemlösung geht anders.

Wäre es den Ministerpräsident*innen um Humanität gegangen, sie hätten ENDLICH die Ausweitung des Familiennachzugs auf den Weg gebracht.

Wäre es den Ministerpräsident*innen um den Kampf gegen den Fachkräftemangel gegangen, sie hätten den Spurwechsel ausgeweitet. Damit könnten dann auch mehr Menschen schnell zu Facharbeiter*innen ausgebildet werden und beispielsweise beim Wohnungsbau, wo im Moment viele Arbeiter*innen fehlen, helfen.

Wäre es den Ministerpräsident*innen um die Beseitigung von Fluchtursachen gegangen, hätten sie auf die Push- statt auf die Pullfakten geschaut und die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit DEUTLICH erhöht.

Und wäre es den Ministerpräsident*innen um die Finanzierung der Kommunen gegangen, sie hätten die Schuldenbremse endlich gestoppt – gestern saßen SPD, Grüne, FDP gemeinsam mit CDU, CSU und Die Linke am Tisch, die notwendige Mehrheit dafür wäre also da gewesen.

Aber um all das ging es nicht. Statt Fluchtursachen oder Probleme bei der Integration zu bekämpfen, bekämpft die MPK Geflüchtete.

Das ist destruktiv. Auch weil natürlich NUR die faschistische AfD von einem solchen Rechtsruck profitiert.

So destruktiv, dass man nachts kaum schlafen kann. Auch weil man Angst haben muss, dass es nach der nächsten MPK wieder NOCH SCHLIMMER wird.


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team