Söder zeigt: Auf Konservative ist kein Verlass

Hubert Aiwanger darf Minister bleiben, das hat Markus Söder entschieden. Warum das ein Dammbruch ist, kommentiert REVOLTE-Autor Jan Bühlbecker.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin nicht enttäuscht.

Enttäuschung setzt voraus, dass man ein anderes Ergebnis erwartet hätte.

Aber nachdem Söders Leute erst de Santis in Florida besuchten und später im Bundestag für einen AfD-Antrag stimmten, nachdem Söder selbst auf der selben AfD-nahen Demo auftrat wie sein Vize Aiwanger, konnte man von Markus Söder (CSU) nicht mehr erwarten, dass er Hubert Aiwanger (Freie Wähler) entlassen würde.

Und das hat er auch nicht. Im Gegenteil: Er hat seinem Vize einen Freifahrtschein zur Selbstinszenierung ausgestellt, den dieser dann auch gleich genutzt hat. 

Schockierende Enthüllungen und keinerlei Einsicht

Mit dem eigentlichen Thema hatte das, was Söder und Aiwanger gestern gesagt haben, nun wirklich gar nichts mehr zu tun.

Also fassen wir es stattdessen hier zusammen:

Hubert Aiwanger kann nicht ausschließen, dass er das volksverhetzende Flugblatt mitgeschrieben oder verteilt hat, er erinnert sich nicht daran, ob er als Schüler „Mein Kampf“ gelesen, den „Hitlergruß“ gezeigt oder antisemitische Witze auf dem Weg in eine KZ-Gedenkstätte erzählt hat und er entschuldigt sich nicht für den Antisemitismus des Textes, sondern nur für den Fall, dass er „jemanden verletzt“ hat. Das schreibt er selbst, in den Antworten auf die berühmt geworden 25 Fragen. Einsicht? Hat er keine. Er spricht stattdessen von einer „Schmutzkampagne“ gegen sich, inszeniert sich also auf dem Rücken der Opfer der Shoah.

Ein schäbiger Umgang mit den Enthüllungen: unvorstellbar

Was Söder alles durchgehen lässt

Und Markus Söder? Der duldet das.

Der duldet einen stellvertretenden Ministerpräsidenten, der nicht ausschließen kann, ein Hitler-Verehrer gewesen zu sein, duldet, dass die Aufarbeitung eines menschenverachtenden Flugblattes zur Hetzjagd auf den Volksverhetzer relativiert wird – kurzum: Er duldet jemandem, der unser Demokratie mit seinem früheren und seinem heutigen Verhalten Schaden zufügt an der Spitze seiner Regierung und fügt so auch selbst unser Demokratie Schaden zu.

Hubert Aiwanger war in seiner Jugend offensichtlich ziemlich rechts, ziemlich sicher sogar Rechtsradikalist – wer daran nach all den bekannt gewordenen Indizien noch zweifelt, will es einfach nicht wahrhaben.

Sehr deutsch – und sehr gefährlich.

Aiwanger ist uns Rechenschaft schuldig

Aber hat sich Hubert Aiwanger geändert, wie Söder gestern behauptet hat? Seine Antworten auf die “klärenden” 25 Fragen beweisen das nicht: Allein auf 15 der 25 Fragen antwortet Aiwanger, dass er sich nicht erinnern könne oder zu den Vorfällen nichts wisse. Gleichzeitig schreibt er, der Vorfall mit dem Flugblatt sei ein “einschneidendes Erlebnis” gewesen.

Dann aber hätte er doch nicht ALLES vergessen! 

Irgendwo muss Aiwanger also gelogen haben: Entweder der Vorfall war kein einschneidendes Erlebnis oder er verheimlicht uns seine Erinnerungen. Daraus einen glaubwürdigen Sinneswandel abzuleiten ist schlichtweg unmöglich.

Und seine politischen Aussagen der letzten Monate sprechen ja auch nicht dafür: Er trat ja wie gesagt auf einer AfD-nahen Demo der Verschwörungstheoretiker*innen-Szene auf und faselte bei Markus Lanz davon, dass Deutschland nur noch “formal” eine Demokratie sei. Aiwanger fabulierte von der “schweigende große Mehrheit dieses Landes”, die sich “die Demokratie zurückholen” müsse.

Und sorry Leute, aber so redet kein*e aufrechte Demokrat*in!

Wie wir unsere Demokratie verteidigen

In Summe heißt das: Aiwanger kann nicht nachweisen, dass er unsere Verfassung verteidigt. Er kann ja noch nicht einmal nachweisen, dass er niemals Hitler (!) verehrt hat. Und den Konsens, dass ein Minister beides können muss, sollten wir nun wirklich unbedingt verteidigen.

Doch Markus Söder findet, dass man mit so jemandem koalieren könne, zumindest besser als mit SPD oder Grünen.

Söder nennt das Bündnis mit den Freien Wählern vielleicht “bürgerliche Koalition”, in Wahrheit aber ist es eine Dammbruch-Koalition!

Denn Söder hat heute Antisemit*innen und Verschwörungstheoretiker*innen, dem politisch-organisierten Rechtsradikalismus in Deutschland Vorschub geleistet. Die Grenze des erträglichen wurde – mal wieder – nach rechts verschoben. Das ist – nicht nur bei Umfragen, die die AfD bei 20% sehen – brandgefährlich.

Das enttäuscht (mich) vielleicht nicht. Aber es macht mich wütend.

Und es zeigt – auch mal wieder – dass im Zweifel auf die Union kein Verlass ist, wenn es darum geht, unsere Demokratie gegen Faschist*innen zu verteidigen. 

Es macht mich wütend – und kämpferisch!

Denn Antifaschismus müssen wir ja trotzdem zusammen gestalten, nur halt ohne uns die Konservativen zu verlassen.


Geschrieben von: Technik Team

Technik Team